Riskante Nächte
genau wie Sie.«
»Das bezweifle ich nicht im Geringsten. Sagen Sie mir, wenn Sie Hastings’ Moral derart verwerflich finden, warum haben Sie dann die Einladung zum heutigen Ball angenommen?«
Sie zauderte, noch nicht bereit, sich ihm anzuvertrauen. Seine aggressive Befragungsweise weckte Bedenken in ihr, ob es tatsächlich klug gewesen war, seine Hilfe zu suchen.
»Es war Lady Ashtons Wunsch, dem Ball beizuwohnen«, erklärte sie mit glatter Zunge. »Sie hat mich gebeten, sie zu begleiten.«
Anthony überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. »Ich fürchte, diese Version der Geschehnisse klingt nicht sehr überzeugend.«
Die kühle Unterstellung machte sie zornig. »Das ist schade, denn es ist die einzig existierende Version.«
»Wenn Sie nicht nach oben gegangen sind, um sich mit Hastings zu treffen, dann muss ich annehmen, dass Sie mit der Absicht in sein Schlafzimmer eindrangen, dort etwas zu stehlen.«
Sie erstarrte. »Ich sehe mich nicht genötigt, Ihre Fragen zu beantworten, solange Sie nicht bereit sind, auch nur eine meiner Fragen zu beantworten.«
»Verzeihen Sie mir. Wenn die Neugier mich erst einmal gepackt hat, dann lasse ich nicht mehr locker.«
»Was für ein Zufall. Mir geht es ebenso.«
»Wonach haben Sie in Hastings’ Schlafzimmer gesucht?«, fragte er unerbittlich.
Ihr Mund war schlagartig wie ausgetrocknet. Den Ball mit ihm zu verlassen war tatsächlich eine sehr schlechte Idee gewesen. Das sah sie jetzt deutlich.
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden, Sir«, sagte sie.
»Sie ersparen uns beiden eine Menge Zeit und Energie, wenn Sie einfach die Frage beantworten.«
Sie reckte trotzig ihr Kinn nach oben. »Sie erwarten doch wohl nicht von mir, dass ich Ihnen derart persönliche Auskünfte erteile? Wir kennen uns ja kaum.«
»Nach dem heutigen Abend wird die gehobene Gesellschaft das anders sehen.«
Seine Worte trafen sie wie ein Dolch. Er hatte recht. Gerüchte verbreiteten sich in der feinen Gesellschaft wie Lauffeuer. Auch wenn man mit Fug und Recht davon ausgehen konnte, dass sich niemand auch nur einen Pfifferling um sie scherte, ergab sich in Bezug auf Anthony ein gänzlich anderes Bild. Reiche, alleinstehende Gentlemen mit makellosem Stammbaum waren für die gehobenen Kreise immer von großem Interesse. Darüber hinaus war da der Hauch von Skandal, der ihm wegen des Selbstmordes seiner Verlobten noch immer anhaftete. Morgen würde es zweifellos viel Gerede geben, dachte sie.
»Der Tratsch wird sich bald wieder legen«, sagte sie. »Früher oder später werden Sie mit einer anderen tanzen, und mich werden alle wieder vergessen.«
»Sie scheinen versessen darauf, mich alsbald loszuwerden. Das trifft mich zutiefst.«
»Ich bin kein naiver Backfisch. Wir wissen beide, dass Sie kein persönliches Interesse an mir haben. Sie haben mich während der vergangenen Woche für Ihre ganz eigenen Zwecke benutzt.«
»Denken Sie das wirklich?«
»Ja, selbstverständlich.« Sie trat mitleidlos den kleinen Funken wehmütiger Hoffnung aus, der im tiefsten Winkel ihres Herzens glomm. »Beleidigen Sie bitte nicht meine Intelligenz, Sir. Es gibt keine andere Erklärung für Ihre Avancen. Ich muss gestehen, dass ich mich gewundert hatte, was Sie wohl im Schilde führten, aber ich glaube, diese Frage wurde heute Abend beantwortet.«
»Tatsächlich? Und wie lautet die Antwort?«
»Angesichts Ihrer Karriere als Juwelendieb haben Sie selbstverständlich gute Gründe, bestimmten gesellschaftlichen Anlässen beizuwohnen. Ebenso selbstverständlich erachten Sie es als nützlich, die Leute in die Irre zu führen, damit niemand es bemerkt, wenn Sie Ihren diebischen Machenschaften nachgehen. Während der vergangenen Woche bedienten Sie sich zu diesem Zweck Lady Ashtons mittelloser Verwandten aus der Provinz, oder trifft das etwa nicht zu?«
»Sie denken, ich hätte Sie als Tarnung für meine kriminellen Umtriebe benutzt?«, fragte er ungläubig.
Sie breitete die Hände aus. »Ich glaube, unter Magiern nennt man so etwas Irreführung. Solange die Leute glauben, dass der weltmüde Mr. Stalbridge sich damit amüsiert, eine Witwe vom Lande zu verführen, werden sie sich nicht fragen, was er sonst noch alles treiben mag.«
»Teufel noch einmal«, entfuhr es ihm nicht ohne Bewunderung. »Sie glauben tatsächlich, dass es meine Angewohnheit ist, mir anderer Leute Wertgegenstände anzueignen.«
»Das ist die einzige Erklärung, die angesichts der Fakten einen Sinn ergibt.« Sie räusperte sich.
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