Riskante Weihnachten
»Du wolltest deine Familie verlassen und …«
»Du solltest langsam begreifen, dass du auch zur Familie gehörst. So schwer ist das doch eigentlich nicht, Kleiner.«
Kleiner? Allmählich reichte es. Aber ehe er die Anrede kommentieren konnte, ging die Haustür auf, und dort stand Marks Frau Laura mit ihrem vier Monate alten Sohn Connor auf dem Arm. Die Auseinandersetzung mit Mark konnte warten, die Begrüßung seines Neffen nicht. Lächelnd hielt Laura ihm das Baby entgegen. Aus dem Hausinneren hörte er bereits die Stimmen der beiden anderen Kinder. Langweilig würde es nicht werden.
Mit dem Baby auf dem Arm blickte Joss in den für Norddeutschland überraschend wolkenlosen Himmel und verspürte ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit. Irgendjemand hatte gewollt, dass zwei Familien ohne bittere Verluste zu beklagen die nächsten Tage feiern konnten.
Es war Weihnachten und er an dem Ort, der einem Zuhause am nächsten kam.
Leseprobe
Stefanie Ross
Zerberus – Unsichtbare Gefahr
(erhältlich als Print- und E-Book-Ausgabe)
Afghanistan
Lieutenant Kenneth Milton hatte ein verdammt schlechtes Gefühl. Der Einsatz seines SEAL-Teams war perfekt geplant, und seine Männer waren in Bestform, trotzdem hatte er den Eindruck, geradewegs auf eine Katastrophe zuzusteuern. Er umklammerte das Lenkrad fester, als der Geländewagen durch ein Schlagloch polterte, das typisch für den Zustand der afghanischen Straßen war.
Sein Freund und Stellvertreter Dell warf ihm einen prüfenden Blick zu, ehe er sich wieder auf sein Smartphone konzentrierte. »Steht einer deiner berühmten Wutanfälle bevor?«
Die Anspielung auf den Spitznamen »Rage« – Wut –, den seine Männer ihm verpasst hatten, hätte sein Freund sich sparen können. »Pack lieber dein Spielzeug weg, und wenn du schon Mails checkst, dann bitte die dienstlichen und nicht die von deiner Frau.«
Schuldbewusst verstaute Dell das Telefon in seiner schusssicheren Weste, wo es eigentlich nichts zu suchen hatte. Da er jedoch erst vor einigen Wochen Vater geworden war, verzichtete Rage auf einen Hinweis auf die Vorschriften.
Dell sah ihn abwartend an. »Noch zwanzig Minuten Fahrt. Wir sind doch alles gefühlte hundert Mal durchgegangen. Was ist los?«
»Ein ganz mieses Gefühl, das mit jeder Minute schlechter wird. Ich verstehe nicht, warum die Afghanen unsere Unterstützung für eine normale Hausdurchsuchung angefordert haben.«
»Als ob in diesem Land irgendwas nach vernünftigen Regeln liefe. Beschwerst du dich etwa, weil unser Job zu einfach ist? Das wäre mir eigentlich egal, es gibt da nur ein Problem.«
»Und was ist das?«
»Auf dein schlechtes Gefühl ist ebenso Verlass wie auf das von Mark. Ihr beide habt euch noch nie getäuscht. Also werden wir uns ganz genau umsehen, ehe wir reingehen.« Dell sah auf seine Armbanduhr und seufzte. »Deine Mail an den Admiral war eine verdammt gute Idee. Ich hoffe, es klappt mit dem Wechsel zu den Spezialteams. Mark ist dort ja anscheinend sehr zufrieden. Du siehst, ich habe auch die dienstlichen Mails gelesen.«
Rage grinste zufrieden. »Und ich dachte, die Nachricht wäre in den ganzen Baby-Fotos, die dir deine Frau schickt, untergegangen.«
»Idiot.«
Fluchend wich Rage einem weiteren Schlagloch aus.
»Pass lieber auf die Straße auf. Ein Achsbruch würde allerdings den Einsatz auch verdammt schnell beenden.«
Rage antwortete mit einem verärgerten Brummen und fuhr dann schweigend weiter. Seine Anspannung wuchs.
«Da drüben, das sind die Häuser. Was ist mit dem zweiten Wagen? Irgendeine Hoffnung, dass Shade unseren Gast losgeworden ist?« Trotz aller Bemühungen hatte Rage nicht verhindern können, dass ein Reporter ihren Einsatz filmte.
Dell seufzte und griff nach seiner Wasserflasche. »Leider nicht.«
Ohne ihr Zielobjekt aus den Augen zu lassen, plante Rage ihr Vorgehen neu. Lag es nur an der Anwesenheit des Reporters, oder waren sie einfach schon zu lange in Afghanistan? Was immer auch der Grund war, er konnte sein schlechtes Gefühl nicht abschütteln. Im Gegenteil, seine inneren Alarmglocken läuteten Sturm. Die Versuchung, zurück zur Basis zu fahren, war groß, aber keine Option. »Planänderung. Wir gehen nur zu dritt rein. Dell, du übernimmst mit dem Rest die Absicherung von draußen.«
Erstaunt wandte sich Dell vom Fenster ab. »Hier ist doch nichts.«
»Eben, und das mitten in einem Wohngebiet. Findest du das normal?«
»Nun ja, der Esel vorhin hatte beinahe menschliche Züge und erinnerte mich
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