Riskante Weihnachten
Blutgefäße verletzt. Nur der Blutverlust hätte ihn beinahe umgebracht. Ohne Joss’ zumindest notdürftige Versorgung hätte er nicht überlebt, von der Hilfe des Amerikaners bei dem Kampf gegen ihre Entführer mal ganz abgesehen.
Der Airbus der Bundeswehr rollte noch zu seiner Parkposition, als die ersten Passagiere bereits aufstanden und nach ihren Gepäckstücken griffen. Weder Joss noch einer seiner Männer beteiligte sich an der Drängelei im Gang. Als ein Rucksack auf Andi zu fallen drohte, schoss Wolf aus der Reihe vor ihm hoch, fing das Gepäckstück auf und bedachte den Besitzer mit einem Blick, der ihn zurückweichen ließ. In dem überfüllten Gang war das eine denkbar schlechte Idee, und der junge Soldat trat prompt einem Offizier auf den Fuß und erntete den nächsten Anpfiff.
Andi verkniff sich ein Grinsen, als der Mann hochrot anlief und eine Entschuldigung stotterte. Im Prinzip konnte er den Jungen verstehen, auch er konnte es kaum erwarten, endlich bei seiner Familie zu sein. Im nächsten Moment durchfuhr ihn ein Schreck. »Sag mal, hast du dich darum gekümmert, dass uns jemand abholt?«
Mikes Fluch reichte als Antwort. Dann hieß es wohl mit dem Taxi vom Flughafen aus nach Bad Segeberg zu fahren.
Endlich hatten sie es geschafft, und das Flughafengebäude lag hinter ihnen. Ihre ungewöhnliche Mischung aus ziviler Kleidung und dicken Bundeswehrparkas hatte ihnen neugierige Blicke der Zollbeamte eingebracht, aber auch hier hatte Wolfs Miene gereicht, um ihnen eine Wartezeit zu ersparen.
Nach einem kurzen Abschied waren seine Männer bereits mit ihren Familien oder Freunden unterwegs nach Hause. Seufzend wollte Andi sich auf den Weg zu den wartenden Taxis machen, als Joss ihn zurückhielt und angrinste.
»Im Gegensatz zu euch habe ich an alles gedacht. Sieh mal, wer da drüben im Halteverbot auf uns wartet.«
Als ob sie Joss’ Worte gehört hätten, gingen bei zwei schwarzen Audis, die dort standen, die magnetischen Blaulichter an, die auf dem Dach befestigt waren. Die Fahrzeuge und vor allem die Fahrer kannte er nur zu gut. Joss’ Bruder Mark kam bereits auf sie zu, dicht gefolgt von Dirk, der als Wirtschaftsprüfer für das LKA arbeitete.
Die Begrüßung war kurz aber herzlich, lediglich die Brüder gingen zurückhaltend, beinahe kühl miteinander um. Aber daran erinnerte sich Andi noch von ihrem letzten Treffen. Marks Neigung, Joss hemmungslos aufzuziehen, und dessen aufbrausendes Wesen vereinfachten die Sache nicht gerade. Doch obwohl ihn die Ursache für das merkwürdige Verhalten der beiden interessierte, würde er nicht nachfragen.
Auch jetzt schien es nicht anders zu sein. Andi kannte das amüsierte Funkeln in Marks Augen nur zu gut. Nach einigen lobenden Worten für Mike, dessen Wangen sich wieder rot färbten, wandte Mark sich beiläufig an Joss. »Nicht schlecht, Kleiner.«
»Nicht schlecht?«, wiederholte Joss aufgebracht und sah aus, als ob er ernsthaft überlegen würde, zuzuschlagen.
Lachend ging Dirk dazwischen. »Klärt das da, wo es weniger Zuschauer gibt. Wir sollten langsam losfahren.«
»Sofort, Dirk.« Andi sah Joss fest an. »Danke, Joss. Wenn du mich irgendwann, irgendwo auf der Welt brauchst, melde dich. Ich schulde dir was.«
Dirk hatte noch nie besonders viel von Vorschriften gehalten. Bereits auf dem Flughafenzubringer schaltete er das Blaulicht ein. »Feiertagsverkehr. Und ihr habt euch eine Sonderbehandlung verdient, um möglichst schnell zuhause zu sein.«
Dirk hielt sein Versprechen, und sie erreichten Bad Segeberg in Rekordzeit. Andi war kaum ausgestiegen, als die Haustür aufflog und sich Anna, nur mit Jeans und T-Shirt bekleidet, in seine Arme stürzte.
»Bin ich froh, dass du da bist. Mir hat man nur gesagt, dass ihr doch noch nicht zurückkommt, und dann diese Explosion auf dem Basar. Es hieß im Internet, sie hätten einen deutschen Soldaten entführt, und ich hatte die ganze Zeit so ein merkwürdiges Gefühl und wäre fast verrückt geworden. Wie siehst du eigentlich aus? Bist du verletzt? Andi? Nun sag doch was.«
Andi biss sich auf die Unterlippe. Annas Informationsquellen waren wie immer hervorragend, und er liebte ihre übersprudelnde Art. »Du lässt mich ja nicht zu Wort kommen.« Er zog seinen Parka aus und legte ihr das warme Kleidungsstück um die Schultern. »Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt solltest du wenigstens eine Jacke anziehen«, belehrte er sie.
Als sie empört schnaubte, zog er sie an sich und vergrub sein Gesicht in
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