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Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Titel: Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jockel Tschiersch
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als wäre die Raupe von der halben Motorsport-Zubehörindustrie gesponsert. Unter der roten 1 stand, auch mit einer Schablone aufgesprüht, der Name EWALD FRICKER in Großbuchstaben. Einige der Gäste fingen an zu lachen, ein paar klatschten, irgendwie musste man sich Luft verschaffen nach dem, was Zwerger da eben verkündet hatte. Manche mussten auch spontan an den »Marktplatz-Fez« vor einigen Jahren denken.
    Bene und Schorsch merkten natürlich, dass etwas nicht stimmte, und Schorsch hatte wieder Schiss.
    »Ich hab’s doch gesagt: Das gibt Ärger mit dem Zwerger!«
    »Hör doch mal auf mit der Heulerei: Die geschissene Raupe ist dem doch so was von egal!«
    Aber trotzdem hatte Schorsch ein untrügliches Gefühl, dass es in der Halle nach Stunk schmeckte.
    Ewald Fricker, oben auf der Bühne, ging ganz nah an Zwerger heran, ohne freilich sein Präludium zu unterbrechen.
    »Herr Zwerger, wie machen wir das mit dem T ieflader?«
    »Was!?«
    »Den T ieflader, für die Raupe, nächste W och’! Für die Meisterschaft, da droben an der Ostsee!«
    Zwerger sah Fricker einen Moment lang konsterniert an, dann polterte er los:
    »Leck mich doch DU am A rsch mit deinem bescheuerten T ieflader! Ich bin pleite!«
    »Aber Sie haben’s versprochen!«
    »Ich hab einen ausgewachsenen Konkurs am Hals! A ber so was kapierst du ja nicht, du Depp, du damischer!«
    Wütend stapfte Zwerger von der Bühne und ging mitten durch die Halle, ohne irgendjemanden noch eines Blickes zu würdigen, zuallerletzt seine Frau Karin. Rita wich seinem Blick aus, sie hatte keine Lust auf öffentliche Debatten, und Zwerger guckte die besprühte Fiat-Allis nicht mal mit dem A rsch an. Kaum hatte er die Halle verlassen, fingen die Leute leise an zu murren, ein verstimmtes Säuseln war das, ein Raunen wie aus schallgedämpften V uvuzuelas: Schließlich würden die meisten der Männer jetzt ihre A rbeit verlieren, und so rosig sah es nicht aus mit A rbeitsplätzen in Ratzisried. Bene und Schorsch auf der Raupe kapierten gar nichts.
    Fricker ließ sein A kkordeon sinken und sagte leise, fast wie zu sich selbst:
    »Ich bin kein Depp!«
    Dann hängte er sein A kkordeon auf den Rücken, steckte seinen Pokal ein, ging quer durch die Halle auf seine Raupe zu, stieg auf und fuhr damit durchs T or hinaus. Bene und Schorsch sahen ihm hinterher wie zwei Deppen.
    Eine halbe Stunde später waren alle Festgäste verschwunden, vom fulminanten Sommerfest der Firma Zwerger zeugte nur noch der Müll im Mondlicht, das trotz des offenbarten Konkurses weiter auf die Kiesgrube schien. Fricker saß traurig auf der Haube der Fiat-Allis, die er wieder hinter die Halle zur Dieselsäule gefahren hatte. V or ihm stand sein Pokal, und er spielte Molltonleitern hinauf und hinunter, immer jeweils einen Halbton höher. Schorsch hockte auf der linken Raupenkette und stierte schwermütig auf den Boden. A n der Dieselsäule lehnte Bene, hielt die Obstlerflasche in der Hand, um ihn herum lagen die roten Farbspraydosen. Immer wieder setzte er die Flasche an, soff den Obstler geradezu mit der Regelmäßigkeit einer Infusionsbehandlung in sich hinein und stieß dabei wütende Flüche aus.
    Schorsch dagegen jammerte ohne A lkoholmedikation im Leerlauf vor sich hin.
    »Ich hab doch die Hälfte schwarz gemacht beim Zwerger und auf die Nacht immer am Häusle geschafft! W ie soll denn das gehen jetzt?! Das darf ich meinem Mädle gar nicht sagen!«
    Bene grunzte verächtlich.
    »Die schnallt das dann schon, wenn sich die Raiffeisenkasse euer Häusle holt! Eh nicht schad’ um diesen Rigips-Hasenstall! Ihr wärt nicht die Ersten, die mit’m nackten A rsch im Dreck hocken, weil irgend so a paar feine Herren wieder mal einen Konkurs fabriziert haben!«
    Schorsch sank noch mehr in sich zusammen. V or drei Jahren hatte er sich zusammen mit seiner Freundin und einem Hauch von Eigenkapital ein Einfamilien-Fertighaus an den Hals gebunden, weitestgehend in Eigenleistung, draußen am Ortsrand, in einer der scheußlichen Neubau-Siedlungen, mit denen semidubiose Fertighausfirmen seit einiger Zeit der A llgäuer Idylle erfolgreich zu Leibe rückten.
    Ewald versuchte, Schorsch zu beruhigen.
    »Dann müssen wir halt alle zusammenhelfen mit deinem Häusle. W eil allein ist man nämlich ganz von allein!«
    Dafür fing er sich gleich von Bene einen A nraunzer ein.
    »Wenn du bloß schlau daherreden kannst! Und hör endlich auf mit dem depressiven Gedudel! Da wird man ja erst recht verrückt davon!«
    Ewald Fricker

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