Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe
zumindest andeutungsweise anklingen zu lassen, dass der Fricker’sche Bauernhof ihr vorkam wie der V orhof zur Hölle, samt dem Mutter-Drachen.
»Du musst da raus, Ewald.«
»Aber hingehen muss ich. Und dann sag ich ihr, dass ich geh, jetzt, wo ich g’wonnen hab.«
Ewald holte die Decken, Rita setzte sich in die Schaufel, und Ewald fuhr sie nach oben. Dann nahm er die letzte W einflasche und kletterte auch in die Schaufel. Nebeneinander sitzend sahen sie aufs Meer und tranken stumm die letzten Schlucke aus der Flasche, ohne Pappbecher. Genau in diesem Moment ging drüben im Fahrerlager das Feuerwerk los, über dem Meer, über dem es immer noch am Horizont hell schimmerte. Es war ein gewaltiges Feuerwerk, einer Deutschen Meisterschaft im Präzisionsplanieren würdig. Die Raupen-Cowboys ließen es richtig rumpeln, am Himmel genauso wie im Kies, und es war beileibe nicht das einzige Feuerwerk, das in dieser Nacht an und über der nächtlichen Ostsee tobte. Raupenglück.
Am Morgen luden sie das Moped hinten auf die Raupe, Rita setzte sich ans Steuer und fuhr los. Sie sprachen nicht viel, gegen Mittag kamen sie in Zarnewanz an. Ewald stellte das Moped wieder an die W and, von der er es weggenommen hatte. Offenbar war es niemandem aufgefallen, dass es überhaupt verschwunden war. Lars und Mirko schufteten auf dem Dach der Kirche und tauschten die schadhaften Ziegel aus. Niels Priplow stand am Fenster seines Pfarrhauses, hinter dem V orhang, und Rita winkte ihm zu. Niels hob kurz die Hand, aber er blieb im Haus.
»Los, packen wir’s.«
Rita verstand, was Ewald meinte, und nickte nur stumm.
Ewald brachte die Raupe vor dem großen T or des Gutshauses in Pervenitz zum Stehen, die Maschine ließ er laufen. Das A nwesen hatte wirklich eine beeindruckende Größe, und es war wunderschön renoviert. Über dem Portal hing ein T ransparent, das auf ein Konzert des Bach-Kollegiums aus Leipzig hinwies. Rita starrte auf das T or und rührte sich nicht.
»Soll i’ di’ reinfahren?«
Mit einem Schlag schien Rita zu erwachen.
»Danke. Das schaff ich jetzt schon alleine.«
»Eben. Und nächstes Jahr fahrn wir zwei sowieso nach A frika.«
»Das ist aber ganz schön weit, Ewald.«
»Saumäßig weit drunten halt. A ber das schafft man schon.«
»Man muss einfach nur losfahren.«
Kein Mensch konnte sagen, wie lange der Blick zwischen den beiden gedauert hatte, die Zeit schien für diesen Moment jede Macht über Rita und Ewald verloren zu haben.
Dann stieg Rita ab, und Ewald fuhr los. Sie sah ihm hinterher, bis er mit der Fiat hinter einem W äldchen verschwunden war.
Rita drehte sich um und ging durch das T or.
EPILOG
A m A bend hatten Rita und Ewald die Raupe am Bahnhof von Ribnitz-Damgarten auf einen W aggon verladen lassen und sich in einen Nachtzug gesetzt, der sie über Ulm bis nach Ratzisried brachte. Heinz war nach einer unbequemen Nacht von zwei Polizisten entdeckt worden, denen er die Geschichte von zwei Russen aufgetischt hatte, die ihm die Brieftasche mit 5400 Euro geraubt hatten.
Die folgenden W ochen waren turbulent gewesen. Karin Zwerger hatte Lipka beim Staatsanwalt verpfiffen und gerettet, was zu retten war. Sie hatte Rita als Geschäftsführerin eingestellt, Schorsch wurde zum V orarbeiter befördert, und Ewald kümmerte sich um den Maschinenpark. Bene verschwand aus dem Dorf mit unbekanntem Ziel.
Ewald nahm sich eine kleine W ohnung und half seiner Mutter so oft wie möglich im Stall. In einem A bendkurs lernte er lesen und schreiben. Rita hatte im Internet einen Spediteur gefunden, der die Fiat FL 10 zu einem sagenhaft günstigen Preis in Ratzisried abholen und zum Hafen von A bidjan an der Elfenbeinküste verschiffen würde. V on dort aus wollten Rita und Ewald im nächsten Sommer dann mit der Fiat aufbrechen, durch W üste und Steppe bis N’Zodghi fahren, um dort beim Bau eines Staudamms zu helfen.
Karl Zwerger ist nie wieder in Ratzisried aufgetaucht, und der Marktplatz-Fez geriet allmählich in V ergessenheit.
DANKSAGUNG
M ein Dank geht zuallererst an meine Agentin Lianne Rolf, ohne die ich den Roman gar nicht geschrieben hätte, samt ihren Mitstreiterinnen Anoukh Foerg und Isabel Schickinger, die immer an den Stoff geglaubt haben.
Dank auch an meinen Fluglehrer, Graphiker, Troubleshooter, Baustellen-Bierbringer, IT -Crack und Freund Matthias Fischer, ohne den der ganze Roman ins elektronische Daten-Nirwana abgestürzt wäre.
Und vor allem geht Dank an meine wunderbare Lektorin Claudia
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