Ritter des dunklen Rufes
Eier aus der Pfanne auf einen Holzteller gleiten. Dann schnitt er einige Scheiben von dem dunklen Brot ab, das er am Vortage gebacken hatte und reichte die Mahlzeit dem frischbenannten Lámfhada.
»Du darfst dich noch nicht zu hart beurteilen. Ich kenne keinen Ritter, der in voller Rüstung zur Welt kam. Alle waren einst Grünschnäbel.«
»Hast du viele Ritter gekannt?« fragte Lámfhada.
»Viele«, gab Ruad zu, während er Wasser in einen Krug goss und sich selbst auch eine Scheibe Brot abschnitt.
»Warum sind sie fortgegangen, Meister?«
»Du steckst voller Fragen, junger Mann. Und hör auf, mich Meister zu nennen – ein Mann wie du kann mich jetzt Handwerker nennen. Oder du kannst auch Ruad zu mir sagen, wie du es getan hast, als du den Vogel vollendet hattest.«
»Du erlaubst mir, dich bei deinem richtigen Namen zu nennen?« wisperte der Junge.
»Das ist nicht mein richtiger Name«, antwortete Ruad, »aber es würde mich freuen, wenn du ihn gebrauchen würdest.« Der Junge nickte und beendete seine Mahlzeit, indem er mit einem Stück Brot die letzten Reste Eidotter auftunkte.
»Ich hoffe, du hast keinen Ärger, weil ich hergekommen bin. Sie werden Okessa, den Seher, einsetzen, um mich zu finden, er wird wissen, dass ich hier war.«
»Nein«, entgegnete Ruad und entblößte in einem breiten Grinsen seine schiefen Zähne. »Sie haben keinen Seher, der gut genug ist, um meine Geheimnisse zu durchdringen – nicht einmal Okessa. Fürchte nicht um mich. Jetzt möchte ich dir ein Geschenk geben. Komm mit.« Er führte den Ausreißer in die Werkstatt, wo er eine Eichentruhe an der rückwärtigen Wand öffnete. Daraus entnahm er ein Paar Hirschlederstiefel, die mit einem silbernen Faden eingefasst waren. »Zieh sie an«, befahl er.
Lámfhada zog seine Sandalen aus und schlüpfte in die Stiefel. »Sie sind etwas zu groß.«
Ruad drückte prüfend die Stiefelspitzen. »Mit dicken Socken werden sie bequemer sein, und du kannst noch in sie hineinwachsen.«
»Sind sie magisch, Ruad?«
»Natürlich sind sie magisch«, fuhr der Handwerker ihn an. »Sehe ich aus wie ein Flickschuster?«
»Was können sie?«
»Es gibt ein Wort, das ich für dich aufschreiben werde, und wenn du dieses Wort aussprichst, werden die Stiefel dir Kraft und Schnelligkeit verleihen. Du kannst damit schneller laufen als jeder andere Mensch und bist in unebenem Gelände sogar schneller als ein Reiter.«
»Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll. Sie müssen ein Vermögen wert sein.«
»Leider sind sie nicht makellos. Ja, selbst ich versage manchmal, junger Lámfhada. Sie werden die Magie nicht beibehalten. Sie geben dir eine Stunde, vielleicht zwei, danach sind es einfach nur Stiefel. Aber es sind gute Stiefel.«
»Kann ich die Magie nicht wiederherstellen?« fragte der Junge.
Ruad grinste. »Wenn du es versuchst, wird es wenigstens eine gute Übung für dich sein. Du brauchst dafür die Macht des Schwarz, die Erdmagie. Aber das Schwarz ist unberechenbar und nicht leicht zu rufen … und du kannst es nur nachts tun, bei Mondschein. Ich habe Goldfaden verwendet, und es gibt kein Metall, das besser auf die Ströme der Farben eingestellt ist. Die Schwierigkeit liegt in der Kontrolle. Zuviel Gold, und die Macht ist so groß, dass kein Mensch die Stiefel tragen und dabei sein Gleichgewicht halten könnte; ein Sprung würde dich so hoch schnellen, dass du an den Folgen des anschließenden Falls sterben würdest. Etwas zu wenig, und die Kraft ist innerhalb einer Stunde erschöpft. Das Problem beschäftigt mich seit zehn Jahren.«
»Und das Wort?« fragte Lámfhada.
Ruad nahm ein Stück Holzkohle und schrieb damit etwas auf die Tischplatte. »Weißt du, wie man es ausspricht? Aber tu’s nicht!«
»Ich weiß«, sagte der junge Ausreißer, die blauen Augen gebannt auf Ruads Gesicht gerichtet. »Das ist dein richtiger Name, nicht wahr?«
»Das ist er, mein Junge, und niemand darf ihn erfahren. Deswegen durftest du nie von deiner Arbeit hier sprechen.«
»Du hast großes Vertrauen in mich gesetzt, Ruad. Ich werde es nicht enttäuschen. Wie kommt es, dass alle glauben, du wärest tot? Und warum willst du, dass sie es glauben?«
»Du und ich, wir unterscheiden uns nur wenig, mein Junge«, antwortete Ruad. »Alle Menschen sind Sklaven. Meine Freude ist es, dass ich die Magie besser verstehe als die meisten anderen Menschen. Ich stelle gern schöne Dinge her. Die Ritter der Gabala waren schön – in ihren unvergleichlichen Rüstungen, mit
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