Ritter des dunklen Rufes
dich?«
Ubadai wandte sich abrupt zu seinem jungen Herrn um, aber Errin konnte in dem flachen, ausdruckslosen Gesicht nicht lesen. »Willst du, dass ich ihn zu dir bringe?«
»Ja, ich würde ihm gerne danken.«
Ubadai schüttelte den Kopf. »Ich denke, vielleicht verpassen wir das Schiff.«
»Unsinn, bring ihn herauf.« Errin schwang sich aus dem Bett und ging zu einem Stuhl am Fenster, auf dem sorgfältig gefaltet seine Kleider lagen. Man hatte sie gereinigt und parfümiert. Er zog sie rasch an und streifte gerade seine schenkellangen Reitstiefel über, als Ubadai zurückkehrte. Ihm folgte ein großer, falkengesichtiger Mann mit dunklen Augen, der einen goldenen Reif um die Stirn trug. Der Mann verbeugte sich.
»Es ist ein großes Privileg, dich kennen zu lernen, Graf Errin«, sagte Cartain.
»Ich verstehe nicht, weshalb das ein Privileg sein sollte«, antwortete Errin und reichte ihm die Hand.
Cartain schüttelte sie kurz. »Du hast dein Leben riskiert, um die Dame Dianu zu retten und gegen einen der furchtbaren Ritter gekämpft. Du bist ein Mann von Mut.«
»Ich habe verloren«, meinte Errin. »Dabei wollen wir es bewenden lassen.«
Cartain lächelte. »Darf ich mich setzen?« Errin nickte, und der Kaufmann raffte seine fließenden Purpurgewänder zusammen und setzte sich in einen hochlehnigen Stuhl.
»Warum hast du mir geholfen? Warst du ein Freund von Dianu?«
»Nicht gerade ein Freund. Ich habe ihre … Flucht arrangiert. Ich hatte den Auftrag, die Verschiffung ihres Familienvermögens zu organisieren, und ich sorgte dafür, dass Dianus Schwester sicher hierher gebracht wurde. Ich wartete darauf, dass die Dame Dianu selbst uns folgen würde, aber dann erhielten wir die Nachricht, dass sie aufgehalten wurde, ich glaube, sie hoffte, du würdest dich entschließen, mit ihr zu kommen. Und dann …« Er breitete die Hände aus.
»Aber das erklärt noch immer nicht, warum du mir geholfen hast.«
»In meinen Handlungen liegt nichts Finsteres, Graf Errin. Ich bin nun … der Verwalter, wenn du so willst, des Vermögens der Dame. Ich nehme meine Pflichten ernst. Die Dame Sheera ist jetzt die Erbin, und ich hatte gehofft, sie nach Cithaeron zu bringen.«
»Hattest gehofft?«
»Sie ist nicht hier«, sagte Cartain und fixierte Errin mit seinen dunklen Augen. »Sie hat sich in den Kopf gesetzt, ihre Schwester zu rächen. Ohne mein Wissen oder das meiner Leute, hat sie zwei Männer angeheuert, die sie zurück durch den Wald begleiten sollen. Ich glaube, sie will Okessa töten.«
»Sie ist noch ein Kind«, sagte Errin. »Das ist Wahnsinn.«
»Ich weiß, dass sie einige Jahre in Furbolg verbracht hat, Graf Errin, aber mit siebzehn ist sie kaum mehr ein Kind. Sie ist groß, gut gewachsen und bemerkenswert eigensinnig. Ich fürchte, sie hat sich selbst verraten. Hier in Pertia gibt es – obwohl wir gnädigerweise von den Gräueln des eigentlichen Reiches unberührt sind – zahlreiche Spione und Attentäter. Und gestern erhielt ich Nachricht, dass der König eine Flotte nach Pertia auslaufen ließ. Sie wird in etwa zehn Tagen eintreffen, und von da an wird der Hafen für nomadische Flüchtlinge geschlossen sein.«
»Du sagst, du furchtest, Sheera habe sich selbst verraten? Erklär mir das genauer.«
»Einer der angeheuerten Männer steht bekanntermaßen im Dienste des Königs. Er ist ein Spion und ein Mörder, und hat einen abscheulichen Ruf.«
»Ich sehe aber nicht, was ich für dich tun kann?«
»Wer könnte sie sonst zurückholen? Dein Mann hier gilt als bester Fährtenleser in den Ländern des Westens. Und da ist noch etwas, Graf. Man hört seltsame Geschichten von Ungeheuern, die den Wald durchstreifen. Ich möchte nicht, dass Sheera das gleiche Schicksal erleidet wie ihre Schwester.«
Errin setzte sich wieder auf das Bett. »Das möchte ich auch nicht, Herr. Aber ich bin kein Krieger. Gewalt macht mich krank, und ich kann nicht gut mit Waffen umgehen. Kannst du nicht einen würdigeren Retter finden?«
»Nach meiner Erfahrung, Graf Errin, lässt sich der Wert eines Mannes kaum daran messen, wie gut er darin ist, seine Mitmenschen zu verstümmeln. Aber darin kann ich dir zumindest helfen.« Mit der linken Hand nahm er einen Apfel von dem Tablett, mit der rechten zog er einen Dolch aus dem Gürtel. Der Dolch zuckte in einer schwindelnd schnellen Bewegung auf, und die Frucht fiel ordentlich in seine linke Hand. Als er die Hand öffnete, zerfiel der Apfel in vier Stücke.
»Ein großartiger Trick, aber
Weitere Kostenlose Bücher