Ritter und Raufbolde
derjenigen Bevölkerungsgruppen, die mit diesen Geräten umgehen können, für den Krieg. Kriegssensen und -flegel weisen ebenso wie die Hellebarde darauf hin, dass nicht-adlige Kämpfer als Kriegsteilnehmer immer wichtiger wurden. Diese Waffen waren den Arbeitsgeräten Sense und Flegel nachempfunden, deren Handhabung die agrarische Bevölkerung gleichsam qua Beruf beherrschte. Nun wurden diese Fähigkeiten für den Krieg nutzbar gemacht. Hier erlangen rhetorische Motive, in denen der Tod als Sensenmann firmiert, einen ganz handfesten Bezug zur Realität.
|133| Kampf um Freiheit
Es war aber nicht die Bewaffnung allein, welche die Fußtruppen ab dem 14. Jahrhundert so effizient werden ließ. Als Wendepunkte und Anfang einer Entwicklung hin zur Dominanz der Fußkämpfer wird gemeinhin eine Reihe von Schlachten am Anfang dieses Jahrhunderts beschrieben: So etwa die Schlachten von Courtrai 1302, Bannockburn 1314 und Morgarten 1315. In diesen Schlachten besiegten Fußkämpfer ein Reiterheer, das nach dem Verständnis der Zeit die überlegene Waffengattung repräsentierte. Bei Courtrai (heute: Belgien) besiegte ein flämisches Aufgebot französische Ritter; bei Bannockburn (Schottland) mussten sich die englischen Reiter König Eduards II. den Schotten geschlagen geben, und bei Morgarten (Schweiz) unterlagen österreichische Reiterverbände gegen Eidgenossen zu Fuß.
Diesen Auseinandersetzungen ist gemein, dass die Fußkämpfer für etwas kämpften, das man im weitesten Sinne als ihre Freiheit bezeichnen kann. Es ging um die Unabhängigkeit von einer anderen Macht und um politische Selbstbestimmung oder Teilhabe. Die Fußkämpfer repräsentierten hier nicht mehr eine unterdrückte soziale Schicht, welcher der Kriegsdienst auferlegt worden war; sie zogen für die eigene Sache in den Krieg, kämpften für ihre eigenen Ziele. Die Motivation scheint ein entscheidender Faktor für den Erfolg dieser Verbände gewesen zu sein, Motivation, die durch die politischen Rahmenbedingungen entstand. Bei Courtrai etwa fochten kommunale Verbände, zwischen denen ein Zusammenhalt bestand, nicht nur als militärische Einheit, sondern als Gemeinschaft von Stadtbewohnern und -bürgern. Es gab eine Gemeinsamkeit zwischen all diesen Fußkämpfern, die sich nicht in einer gemeinsamen militärischen Aktion erschöpfte.
|134| Infanterie im Mittelalter?
In die Kategorie ,Fußkämpfer‘ fallen eine Reihe höchst unterschiedlicher Akteure. Hierzu zählen schlecht ausgerüstete Bauern-Kämpfer ebenso wie Söldner, die gut bezahlte Profikämpfer waren. Zur zweiten Kategorie gehörten etwa die Landsknechte: Dies waren zu Fuß kämpfende Söldner, die im deutschen Reich des ausgehenden 15. und 16. Jahrhunderts etwa von Kaiser Maximilian I. († 1519) eingesetzt wurden. Sie kämpften mit Langspießen (auch Büchsen und Zweihand-Schwertern) in Gevierthaufen (Kampfverbände – auf allen Seiten vor Langwaffen starrend); ihre Aktionen wurden von Reiter-Kämpfern unterstützt.
Der Begriff ,Infanterie‘ ist für diese Gruppe der mittelalterlichen Kämpfer problematisch. Zum einen weckt er Assoziationen an neuzeitliche Armeen mit gut ausgebildeten und gedrillten Soldaten. Dies trifft zwar für die Landsknechte des ausgehenden Mittelalters, nicht aber für die Masse der Fußkämpfer zu. Mit diesen haben moderne Infanteristen letztlich nur gemein, dass beide in der Schlacht laufen. Dies sagt zunächst nichts über die Art des Transportes zur Schlacht aus: Es gab durchaus Gruppen, die zur Schlacht ritten, um dann zu Fuß zu kämpfen – etwa englische berittene Bogenschützen im Hundertjährigen Krieg.
Der US-amerikanische Militärhistoriker Stephen Morillo hat auf die Problematik aufmerksam gemacht, Begriffe wie Infanterie und Kavallerie auf das Mittelalter zu übertragen. 13 Er unterscheidet verschiedene Dimensionen dieser Begriffe: Die funktionale Dimension bezieht sich auf die Art und Weise, wie Kämpfer ihre militärische Funktion ausüben: Infanterie kämpft zu Fuß, Kavallerie zu Pferd. Dies variiert aber je nach Kriegs- und Gefechtssituation: Nach dem Verlust seines Pferdes kämpft auch ein Kavallerist zu Fuß und ist damit im funktionalen Sinne Infanterist.
|135| Der Langbogen
Man kann je nach Länge der Waffe verschiedene Bogenarten unterscheiden, wobei die Länge immer relativ zum Bogenschützen verstanden werden muss. Ein Langbogen war übermannshoch und zeichnete sich durch hohe Reichweite und Durchschlagskraft aus. Normale Bögen waren
Weitere Kostenlose Bücher