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Ritter und Raufbolde

Ritter und Raufbolde

Titel: Ritter und Raufbolde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauss
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Fußkämpfern ausgefochten, die einem militärischen Drill unterworfen waren, der sie zu effektiven Kampfverbänden werden ließ.
    In der Ausbildung lag der Erfolg von Fußtruppen begründet. Wenn sie Reitern standhalten wollten, war ein hohes Maß an Disziplin und Koordinierung aufzubringen. Mehr noch als bei Reitern ist der Erfolg ihrer Operationen von der Massierung und der koordinierten Bewegung abhängig. Erst diese beiden Elemente machten aus einzelnen, dem Reiter unterlegenen Fußkämpfern eine militärisch dominante Waffengattung.
    Über weite Strecken des Mittelalters standen die Vorzeichen für Ausbildung und Disziplinierung von Fußtruppen-Verbänden eher schlecht. Eine Gesellschaft, in der es keine stehenden Heere und damit einhergehende Kasernierung gab, tat sich |127| schwer damit, ihre Kämpfer über längere Zeiträume auszubilden und – etwa im Marschieren oder im Manövrieren – zu schulen. Aufgrund ihrer privilegierten sozialen Stellung, die – wie gezeigt – eng mit dem Kriegshandwerk verknüpft war, waren adlige Reiterkrieger hier lange im Vorteil. Während ein adliger Jüngling im Umgang mit Waffen und Pferd ausgebildet wurde, musste ein Bauernjunge arbeiten.
    Auch die Motivation der Fußkämpfer dürfte sich zunächst grundlegend von der der adligen Reiterkrieger unterschieden haben. Zwar ist es für uns sehr schwer, Einblicke in das Innenleben mittelalterlicher Kriegsteilnehmer zu nehmen. Uns liegen kaum Quellen – etwa in Form von Briefen oder anderen Ego-Dokumenten – aus den unteren Gesellschaftsgruppen vor; genau aus diesen Gruppen (Bauern, Tagelöhner) rekrutierte sich das Fußvolk. Man wird jedoch annehmen dürfen, dass die gesellschaftliche Konstellation, in der sich der Kriegsdienst über weite Strecken des Mittelalters abspielte, einen Unterschied in der Motivation und im Zugang zum Krieg generell zur Folge hatte. Während der Krieg für die adlige Führungsschicht einen Weg zur Prestigesteigerung darstellte, folgten die Fußkämpfer in erster Linie Befehlen. Sie wurden im Kontext der Herrschaftsstruktur, in der sie lebten, rekrutiert und zum Dienst verpflichtet. Daraus resultierte für sie aber zunächst keine Veränderung in ihrem sozialen Status. Wer vor dem Krieg als Bauer für den Grundherrn schuften musste, fand sich nach dem Krieg in der Regel in der gleichen Position wieder – sofern er nicht tot oder verstümmelt war.
    Das Risiko, verletzt oder getötet zu werden, war – grosso modo – bei den schlechter gerüsteten Fußkämpfern deutlich höher, als bei gut ausgerüsteten Reiterkriegern. Auch die im Vergleich zu den Reitern eingeschränkte Mobilität dürfte zu anteilig höheren Verlusten geführt haben. So musste das Fußvolk |128| im Falle einer Niederlage in Sicherheit laufen und wurde dabei oftmals von den siegreichen Reitern niedergemacht, während sich die unterlegenen Reiterkrieger schneller in Sicherheit bringen konnten.
    Auch das ökonomische Interesse am Leben der Verlierer war bezüglich nicht-adliger Fußkämpfer deutlich geringer ausgeprägt als bei adligen Reitern und bot daher auch weniger Schutz. Es war im ökonomischen Sinne vernünftig, einen adligen Gegner im Falle des Sieges nicht zu töten: Man konnte ihn gegen Lösegeld an seine Familie zurückverkaufen. Anders sah die Sache beim anonymen Durchschnittskämpfer aus. Wer sollte ein Lösegeld für ihn zahlen, das den Aufwand der Gefangennahme rechtfertigte? Wie hätte man – selbst wenn es die Möglichkeit der Bezahlung gegeben hätte – mit den Familienangehörigen in Kontakt treten sollen, wenn diese nicht Teil des adligen Geflechts von Verwandtschaft und Bekanntschaft waren? Also wurden Fußkämpfer oftmals umgebracht, weil alles andere ökonomisch sinnlos gewesen wäre. Unter militärischen Gesichtspunkten war es ohnehin geboten, einen Sieg in möglichst nachhaltige Schwächung des Gegners umzuwandeln, dessen Kämpfer also zu töten oder zu verstümmeln.
    Wenn man von ,Fußkämpfern‘ im Mittelalter spricht, so sollte nicht der Eindruck einer homogenen Gruppierung entstehen. Bislang haben wir Fußkämpfer immer auch unter sozialen Aspekten betrachtet, als Krieg führende Gruppe unterhalb der adligen Reiterkrieger. Bezieht man sich aber auf die militärische Dimension, wird schnell deutlich, wie vielfältig diese Gruppe war: Zu Fuß kämpften Lanzenträger und Bogenschützen, auch Ritter fochten im ganzen Mittelalter immer wieder ohne ihr Pferd. Fußsoldat war kein geschützter Begriff –

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