Ritter und Raufbolde
propagieren, um sich zum Beispiel die Unterstützung der Heimat zu sichern. Dazu wurden die eigenen Leistungen beschönigt oder der Gegner ins Unrecht gesetzt.
Wenn schon das Bild der Zeitgenossen von den Kriegen des Mittelalters verzerrt war, wie ist es dann um unser modernes Verständnis bestellt? Wenn wir Geschichte schreiben wollen, sind wir den Quellen ausgeliefert, die uns von der Vergangenheit berichten. Es muss uns daher immer auch darum gehen, Verzerrungen aufzudecken und zu berichtigen; tut man dies, wird der Krieg deutlich blutiger und grausamer. Das moderne Bild des mittelalterlichen Krieges ist aber nicht nur von der Parteilichkeit der Quellen geprägt. Vielmehr ist es Teil zweier allgemeiner gesellschaftlicher Phänomene, die sich an diesem Punkt gleichsam überschneiden: unser Bild vom Mittelalter und unser Bild vom Krieg.
Seit der Epoche der Romantik wird das europäische Mittelalter verklärt und – durchaus auch in eskapistischer Absicht – als Gegenpol zur eigenen Zeit verstanden. Man flüchtet sich in eine Vergangenheit, die gerade gegenüber einer als verwirrend pluralistisch empfundenen (Post-)Moderne strukturiert und verlässlich erscheint. Damals gab es noch klare Familienstrukturen |139| und -bande, da wussten die Menschen noch, wo sie standen und hingehörten. Hinzu tritt ein wohliges Schaudern angesichts der Lebensumstände, die im Sinne von Naturverbundenheit und Unverfälschtheit gedeutet werden. So kann man im Mittelalter eine kleine ,Auszeit‘ nehmen, in Form von Filmen, Büchern oder Mittelaltermärkten.
Auch das Bild vom Krieg, das uns in etlichen Filmen und Erzählungen gegenübertritt, ist alles andere als differenziert, sondern auf bestimmte Aspekte fokussiert. Dies gilt nicht nur für die Kriege des Mittelalters, sondern für alle Epochen: Da sehen wir etwa Brad Pitt als Achill oder Laurence Olivier als Heinrich V. Der Krieg erscheint als zwar schreckliches, aber letztlich unvermeidliches Kommunikationsmittel im Dialog zwischen Freund und Feind. Er wird zur Kulisse für Helden und büßt so seinen Schrecken ein. Wenn sich die Blicke auf die (erfolgreichen) Akteure konzentrieren, treten die Opfer in den Hintergrund und verblassen.
Das populäre Bild vom mittelalterlichen Krieg steht genau an der Schnittstelle des positiven Mittelalters und des unterhaltsamen Krieges. Bezieht man dies auf die angesprochenen Darstellungsmuster der mittelalterlichen Historiographen, dann lässt sich konstatieren: Die Verknüpfung von Krieg und Heldentum war sehr erfolgreich und funktioniert noch immer; dies liegt sicherlich auch daran, dass es sich hierbei nicht um ein originär mittelalterliches Phänomen, sondern eine epochenübergeifende Konstante der europäischen Kultur handelt. Von der Antike bis heute wird Kriegsgeschichte als Heldengeschichte erzählt. Wollen wir unser Bild vom mittelalterlichen Krieg von diesen Deutungen befreien und der Wirklichkeit annähern, dann wird die Sache vielschichtiger, konturenreicher und auch grausamer; dann erzeugt Krieg in erster Linie Tote und keine Helden.
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|142| Quellen- und Literaturverzeichnis
Literatur zum Krieg im Mittelalter allgemein
Clauss, M., Kriegsniederlagen im Mittelalter, Darstellung, Deutung, Bewältigung, Paderborn u. a. 2009 (Krieg in der Geschichte).
Contamine, P., La Guerre au moyen ˜ge, Paris 1980.
Kortüm, H.-H. (Hg.), Krieg im Mittelalter, Berlin 2001.
Kortüm, H.-H., Krieg im Mittelalter, Darmstadt 2010 (Geschichte kompakt).
Nicholson, H., Medieval Warfare. Theory and Practice of War in Europe 300–1500, Basingstone u. a. 2004.
Prestwich, M., Armies and Warfare in the Middle Ages. The English Experience, New Haven u. a. 1996.
Prietzel, M., Krieg im Mittelalter, Darmstadt 2006.
Prietzel, M., Kriegführung im Mittelalter. Handlung, Erinnerung, Bedeutung, Paderborn u. a. 2006 (Krieg in der Geschichte).
Schmidtchen, V., Kriegswesen im späten Mittelalter, Weinheim 1990.
Quellen
Die benutzten Quellen werden hier nach Möglichkeit in leicht zugänglichen Übersetzungen und Quellenanthologien zum mittelalterlichen Krieg zitiert.
Albertus Magnus, De Animalibus Libri XXVI, hg. v. H. Stadler, Bd. 2, Münster 1920.
Bericht des Gabriele des Mussis aus Caffa, in: Die Pest 1348 in Italien, hg. v. K. Bergdolt, Heidelberg 1989, S.19–32.
Brunos Sachsenkrieg, in: Quellen zur Geschichte Kaiser Heinrichs IV., hg. v. F.-J. Schmale, Darmstadt 4. Aufl. 2000, S. 191–406.
Chronik Kaiser Ludwigs IV., in: Geschichte Ludwigs
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