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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Paradies ein«, murmelte sie.
    »Gregoria!«, wurde sie von Engelszungen gerufen, und sie versuchte, etwas in der gleißenden Helligkeit zu erkennen. »Gregoria!«
    Abrupt riss der Strahl ab, und es wurde stockfinster.
    Im nächsten Moment stand sie in einem Dom, der ihr mit seiner Schönheit Schauer der Ehrfurcht durch den Leib jagte. Dann erschien wie aus dem Nichts ein Mann vor ihr, der das päpstliche Ornat trug, aber nicht Klemens XIII. war.
    Zu seinen Füßen lag ein erstochener Jesuit, der die Züge von Francesco trug und seine gläsernen Augen auf sie gerichtet hielt. Seine Hand verwandelte sich in eine Klaue, mit der er lateinische Sprüche in den Marmor ritzte. Dann barst sein Körper unvermittelt und überschüttete sie mit Blut; an seiner Stelle stand ein zähnefletschender Garou.
    Der unbekannte Papst blickte sie gütig an. »Töte die Kreatur«, bat er sie freundlich und reichte ihr ein zu einem Schwert umgewandeltes Kruzifix. »Töte sie und alle anderen.« Er deutete auf etwas hinter ihrem Rücken, und Gregoria wandte sich auf den Fersen um.
    Der gesamte Dom war angefüllt mit Bestien! Sie krochen an den Säulen empor, die Decke entlang, schändeten Bilder und zerstörten Fresken, die roten Augen leuchteten voller Hohn.
    Der unbekannte Papst gab ihr einen Stoß ins Kreuz. »Gehe hin und bringe der Welt Frieden, meine Tochter. Befreie sie von dem Übel. Ich gebe dir meinen Segen.«
    Das Kruzifix erstrahlte in silbernem Glanz, die Speerwunde des Heilands öffnete sich und flutete das Gebäude mit Blut. Die Bestien wurden davongespült, ersäuft, verbrannt, und diejenigen, die überlebten, tötete Gregoria wie im Rausch.
    Als sie den Arm hob, um die letzte von ihnen zu vernichten, erkannte sie Florence vor sich. »Nein! Sie …«
    Es wurde wieder dunkel.
    Durch die Schwärze fiel Fackelschein und beleuchtete das irritierte Gesicht der Frau, die ihr eben noch das Blut aus dem Gesicht gewischt hatte. »Ehrwürdige Äbtissin? Ihr habt plötzlich wirre Dinge gesprochen und …« Sie hielt sich die Wange. »Ihr habt mich geschlagen.«
    »Verzeiht mir, ich bin noch immer …« Gregorias Verstand benötigte eine Weile, um sich von der Epiphanie zu erholen, denn nichts anderes konnte ihr soeben widerfahren sein. Sie horchte in sich hinein und fühlte keine Schmerzen mehr. Ihre Stimme war klar, als sie sagte: »Helft mir aufzustehen.«
    Die Frau schaute sie misstrauisch an. »Ihr seid zu schwach, um …«
    Gregoria versuchte es daraufhin allein, und ihre Beine gehorchten. Sie biss fest die Zähne zusammen und rieb sich über die verbrannte Haut, die sich wie welkes Laub zusammenrollte und abblätterte.
    Darunter kam frische, neue zum Vorschein.
    »Ihr … Ihr seid gesegnet !«, rief die Frau außer sich vor Erstaunen und schlug das Kreuz. »Der Herrgott hat Besonderes mit Euch vor, dass er Euch das Feuer überstehen und von Euren Verletzungen genesen ließ, ehrwürdige Äbtissin!«
    Gregoria bemerkte, dass ihr die Phiole entglitten war. Sie nahm sie aus dem Gras und hielt das unscheinbare Röhrchen nachdenklich in der Hand.
    Wenn es Gottes Wille war, dass sie nach Rom ging und Besonderes vollbringen sollte, dann tat sie es mit Freuden. Sie verstaute die Phiole und richtete ihre graubraunen Augen auf das brennende Saint Grégoire.
    Wer auch immer hinter alldem steckt, er wird dafür zahlen, gelobte sie. Aber nicht erst im Jenseits und im Angesicht des Herrn.

XXXVI.
KAPITEL
    Kroatien, Plitvice, 23. November 2004, 03:59 Uhr
     
    Eric öffnete langsam die Augen und sah – nichts. Nichts als Weiß. Er fror am ganzen Leib, seine Hände ließen sich nicht bewegen und machten den Eindruck, erfroren zu sein.
    Es dauerte sehr, sehr lange, bis er überhaupt einen klaren Gedanken fassen konnte. In seinem Schädel schrie alles durcheinander, Bilder blitzten wie in einem schnell geschnittenen Musikvideo auf, Fratzen und Menschengesichter blendeten ineinander über, die Bestie schnappte nach ihm, und er glaubte, die Einschläge der Projektile wieder zu spüren.
    Eric wollte aufstehen und vor den Bildern davonlaufen. Stattdessen verweigerte sich sein Körper, und er lag regungslos. Gelähmt. Also wartete er und starrte in das Weiß.
    Etwas scharrte über ihm.
    Das Weiß bröckelte auseinander, und eine Fuchsschnauze näherte sich schnuppernd seinem Gesicht. Der warme Atem umwehte ihn, die Zunge schnellte hervor und zwang Eric zu einer Bewegung. Seine Hände durchstachen die Schneedecke, unter der er lag. Wie ein Schwimmer

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