Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
hervor. Er war erregt, aber er fühlte sich gut, und es war der erste Tag seit seiner Abreise aus Carcassonne, an dem er wieder offen seine Dominikanerkutte und sein Kreuz trug. Dazu hatte er sich noch in der Nacht entschlossen.
Der Verschlag des ersten Wagens wurde geöffnet. Ein Mann sprang herunter. Der Diener der Ketzerin, dachte Abbéville. Und tatsächlich, Aucassinne half seiner Herrschaft gerade aus dem Wagen. Nun erschien das runde Gesicht der Köchin, die sich nicht nur wegen ihrer Körperfülle ächzend und stöhnend aus dem Gefährt hievte, sondern weil ihr der Rücken schmerzte. Gleich nach ihr hüpfte die junge Magd heraus, über das ganze Gesicht lachend.
Doch wo war das dritte Weib, das die Ketzerin begleitet hatte? An der Porte Narbonnaise hatte es geheißen, es wären vier Frauen und ein Mann, die …
Rixende stand aufrecht neben dem Wagen, um das Ausladen des Gepäcks zu beaufsichtigen. Sie trug zum Abschied wieder stolz das blaue Tuch der Fabris. Dennoch wagte sie es nicht, ihre Augen umherschweifen zu lassen, aus Angst, doch noch den Inquisitor von Carcassonne zu entdecken. Wieder und wieder sagte sie zur Beruhigung den Satz vor sich hin, der ihr im Angesicht der Geheimen Worte in den Sinn gekommen war: Heb dein Haupt und fasse Mut zum Wagen, Ava von Planissoles.
Der Anblick der schönen Frau schürte indessen Abbévilles Glut. Nun, Ketzerin, dir wird deine hochmütige Miene bald vergehen, flüsterte er leise vor sich hin. Ei, deine schönen weißen Fingerchen. Wirst du mir das Versteck deines Bruders sagen, wenn ich dir ein paar dieser dünnen Eisenplättchen unter die Nägel schiebe, die Polignac wie einen persönlichen Schatz verwahrt? Abbéville weidete sich in Gedanken bereits an ihren Schreien, einzig gedämpft von dem dreckigen Fetzen Leinen, den er ihr eigenhändig in den süßen Mund stopfen würde.
Dann trat er entschlossen auf sie zu.
„Im Auftrag der Inquisition sowie im Namen des Königs von Frankreich: Rixende Fabri, Ihr seid verhaftet.“
Rixende schrie erschrocken auf, obwohl sie auf einen solchen Auftritt vorbereitet war. Auch die anderen waren vor lauter Entsetzen zurückgewichen. Eines der Pferde wieherte.
„Herr Inquisitor“, hauchte Rixende und fasste sich ans Herz. Sie bemühte sich erst gar nicht, ihr Erschrecken im Angesicht Abbévilles zu verbergen, der – wie sie sofort feststellte – die Stiefel des großgewachsenen Bettlers vor der Kathedrale trug. Doch dann fuhr sie mutig fort:
„Was werft Ihr mir jetzt schon wieder vor? Ihr habt keine Handhabe gegen mich. Der König selbst hat mich vom Vorwurf der Ketzerei freigesprochen und mir erlaubt, nach Aragon auszureisen. Das diesbezügliche Schreiben des Seneschalls kann ich Euch gerne zeigen.“
„Man beschuldigt Euch, dass Ihr Euch unrechtmäßig das Erbe des Castel Fabri angeeignet habt und es gerade eben außer Landes zu schaffen gedenkt.“
„Wie? Ich soll … Wie kommt Ihr auf einen solch absurden Gedanken, Herr Inquisitor?“
Inzwischen war auch der Mann aus dem Zollhaus hinzugetreten. Abbéville forderte ihn auf, das Gepäck dieser Frau genauestens zu untersuchen.
„Aber bitte sehr, mein Herr, ich habe nichts zu verbergen“, sagte Rixende bereitwillig zu dem jungen königlichen Beamten und wies Aucassinne an, die zwei Körbe und drei Bündel zu öffnen.
„Wo ist Euer anderes Gepäck?“ herrschte sie Abbéville an.
„Welches andere Gepäck?“ fragte Rixende verwundert. „Ich habe keine Reichtümer mehr, das wisst Ihr doch. Nicht zuletzt Euretwegen bin ich in Armut gefallen. Drei Stücke Schmuck – hier seht, ein Rubinring, den mir mein verstorbener Gatte geschenkt hat, eine schwarze Perle und ein güldenes Kettchen mit dem Bild der Heiligen Jungfrau -, dann die Kleider, Wäsche, das ist alles - und natürlich das, was meinen Dienstboten gehört. Der Herr Verweser hat vor meiner Abreise unseren Wagen gründlich untersucht! Ich weiß gar nicht, was Ihr nun von mir wollt.“
„Für Eure frechen Worte könnte ich Euch die Zunge herausreißen lassen, Frau!“ stieß Abbéville ungehalten hervor, was ihm jedoch einen vorwurfsvollen Seitenblick des Bevollmächtigten eintrug.
Rixende überreichte dem Beamten das Schreiben des Seneschalles. Der junge Mann runzelte die Stirn beim Lesen. Er ließ sich Zeit. Dann gab er es ihr zurück und begann unter Abbévilles Bewachung äußerst sorgfältig die Körbe zu untersuchen, fand dort aber nichts anderes vor, als das, was sie dem Seneschall von
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