Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
hängen. „Hab ich es Euch nicht gleich gesagt, Herr Inquisitor, diese Damen sind über jeden Verdacht erhaben!“
„Wollt Ihr mich nun mein Schiff betreten lassen, Herr Prälat“, herrschte Raymonde den völlig verblüfften Inquisitor an und befahl sogleich ihren Dienern, endlich das Gepäck an Bord zu tragen, damit der Kutscher in die Stadt zurückfahren könne. Auch Rixende machte Anstalten, das Schiff zu betreten.
Abbéville sah seine Felle davonschwimmen. In einem letzten verzweifelten Schritt versuchte er Rixende am Arm festzuhalten. Da trat ihm wie aus dem Nichts Authié in den Weg, der sich als Kutscher verkleidet hatte, und herrschte ihn - die Peitsche in der Rechten - in scharfem Ton an:
„Mönch, lasst diese Frau gehen! Ihr seid ihrer nicht würdig.“
Erschrocken wich Abbéville zurück. Doch inzwischen hatte sich auch der königliche Beamte schützend vor die beiden Frauen gestellt.
Rixende lief mit Raymonde Patrice zur Ablegestelle. Doch bevor sie den Steg betrat, drehte sie sich noch einmal um und blickte Abbéville durchdringend in die Augen.
Im gleichen Moment wurde sich der Inquisitor von Carcassonne der Kraft dieser Frau bewusst. Er hatte verloren. Der Hüter ist tot, fuhr es ihm durch den Sinn. Und sie ist es, die den Schatz der Katharer in ihrem Besitz hat.
Sie ist die Hüterin der Geheimen Worte!
Bebend vor Zorn und dennoch unfähig, sich zu bewegen, beobachtete er, wie diese Verschwörer unbehelligt das Schiff betraten. Seine Erstarrung wich erst, als die Glocke ertönte, das Schiff Segel setzte und langsam ablegte.
An Deck hatte Rixende zufrieden beobachtet, wie Authié die Kutsche bestiegen und mit den „Dienern der Witwe“ davongefahren war. Nun stand sie unbeweglich an der Reling und sah auf den Inquisitor hinab. Ihr blaues Kleid bauschte sich im Wind.
Da streckte er drohend die Faust nach oben und schrie ihr nach: „Ich werde Euch zu finden wissen, in Barcelona oder wo immer Ihr Euch hinwendet!“
Dann endlich drehte er sich um und lief weg.
Rixende sah ihm nachdenklich hinterher. „Ja, vielleicht … Vielleicht aber auch nicht“, sagte sie mehr zu sich selbst und wies Aucassinne an, die restlichen Bündel unter Deck zu bringen.
Der Kapitän, ein freundlicher Mann mit eisgrauem Bart, begrüßte die Reisenden und überreichte Rixende sogleich einen Brief. Erleichtert drückte sie das Pergament an ihre Brust, dann ließ sie sich ihre Kajüte zeigen. Dort riss sie den Brief auf und begann zu lesen.
„ O süßer Name Freiheit“, hatte Fulco geschrieben. „Endlich ist es soweit. Ich befinde mich in Barcelona in einer ordentlichen Herberge mit Blick auf das ruhelose Meer und kann nur ein ums andere Mal sagen: Ich freue mich unendlich. Wirklich glücklich kann ich aber erst sein, wenn ich Dich wieder in meinen Armen halte. Seit unserer letzten Liebesnacht sind nun vier Monde vergangen, seit meiner Flucht zwei. Und ohne Bruder Angelo, der mir erklärt hat, dass alles auf Erden Kreislauf, Wandlung und Wiederkehr ist, weswegen man sich nicht im Übermaß zu quälen brauchte, wäre sie mir wohl kaum gelungen. Er hat den anderen bedeutet, dass ich wieder krank geworden wäre, eine Folge des überstandenen Fleckfiebers. Im Wagen ein es allseits bekannten Arztes hat er mich dann in eines der Hospitäler Avignons bringen lassen. Von dort aus bin ich noch in der gleichen Nacht gen Marseille geritten, wo Dein Gewährsmann Johan Silvius und Dein Geselle Felix schon mit neuen Dokumenten auf mich gewartet haben. Wenige Tage später bestieg ich den Segler nach Barcelona.
Und nun warte ich schon so lange auf Dich, meine Liebste. Ich kenne keine größere Angst, als die, dass man Dich vielleicht nicht hat fortgehen lassen. Zum ersten Mal seit langem bete ich wieder. Wenn unser gemeinsames Schiff, das bereits im Hafen liegt – ich habe es mir heute angesehen -, erst Zypern erreicht hat und Kurs auf Damaskus nimmt, sind wir endgültig frei. Dass Ibrahim Suleyman uns eines seiner Häuser zur Verfügung stellt, in einem herrlichen Garten voller weißer Rosen und duftendem Jasmin, wie Du mir bei unserem letzten Zusammensein erzählt hast, beschämt mich zutiefst. Kein mir bekannter Christ würde Muselmanen gegenüber solchen Großmut zeigen. Ich muss noch viel lernen, vor allem wieder mit meinem eigenen Kopf zu denken und zugleich mein Herz sprechen zu lassen, und ich will all das ablegen, was mich in der Vergangenheit zu einem harten zynischen Mann gemacht hat, wenn ich damit auch nicht
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