Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
Frau nickte. „Gewiss.“
Sie zog Rixende zur Seite, unter ein altes Tor, das ihnen Schutz vor neugierigen Blicken bot.
„Und nun gebt mir Eure Hand“, sagte sie leise.
Rixende tat, wie ihr geheißen. Die Bettlerin senkte den Kopf mit der Kapuze. Rotes strähniges Haar fiel ihr ins Gesicht, während sie Rixendes Rechte begutachtete. Als sie wieder aufsah, waren ihre seltsamen Augen zusammengekniffen und die beiden Falten, die sich um ihre Mundwinkel zogen, tiefer eingekerbt.
Rixende erschrak über ihren Anblick. „Hast du mir am Ende Unangenehmes zu sagen?“
Die Frau warf unschlüssig den Kopf hin und her, um nach kurzem Zögern mit beschwörender Stimme zu raunen: „Es ist wohl so. Nicht wenige Schatten verdichten sich über Eurem Haupt, Herrin. Dunkle Mächte stecken dahinter, hütet Euch also vor der Dunkelheit.“
„Kannst du mir Einzelheiten nennen, Frau? Es soll dein Schaden nicht sein“, forderte sie Rixende mutig auf.
Die Wahrsagerin betrachtete erneut die feinen Linien der Handfläche und meinte nach einigem Nachdenken, dass ein Horn bald Rixendes Leben verändern würde. Sie solle achtgeben auf ein weißes Horn.
„Ein Horn?“ Rixende lachte auf. „Bei allen Heiligen, wie sollte ein Horn Einfluss auf mein Leben haben? Du hattest wohl eine Sinnestäuschung – wie ist übrigens dein Name?“
„Lusitana“, sagte die Bettlerin und verneigte sich auf ihre seltsame Art vor Rixende. „Ich bin Lusitana von Pont-de-Larn, einem kleinen Weiler in den Montagne Noir, den Schwarzen Bergen, und ich hatte ganz gewiss kein Trugbild, Herrin! Da ist noch mehr, was ich Euch sagen könnte ...“
„Laß es gut sein, Frau“, sagte Rixende entschlossen und begann in ihrem Beutel zu kramen.
Lusitanas blaue Augen blitzten empört auf.
„Ihr glaubt mir noch immer nicht? Bei uns können viele in die Zukunft sehen, meine Mutter hatte diese Gabe und meine Großmutter ebenfalls. Ihr werdet schon bald feststellen, dass ich recht habe, Herrin. Schon bald ...“
„Gut, warten wir es ab, Lusitana“, sagte Rixende nicht allzu freundlich, entlohnte sie und verabschiedete sich. Beim Weiterlaufen schüttelte sie über sich selbst den Kopf und fragte sich allen Ernstes, was sie bewogen hatte, sich auf dieses abgerissene, schmutzige Weib einzulassen.
Mengarde, die vor dem Grand Puits, dem großen Brunnen der Stadt, bereits ungeduldig auf ihren Schützling gewartet hatte, lachte Tränen, als Rixende ihr von dem weißen Horn erzählte.
„Nichts als Lug und Trug! Ich habe es dir doch gleich gesagt, mein Täubchen. Diese Wahrsagerinnen machen sich nur wichtig. Verlass dich auf dich selbst und auf den lieben Gott, das ist noch immer das beste. Und darüber hinaus bin ich auch noch für dich da, meine Liebe.“
Entschlossen packte sie die junge Frau nun am Arm und zog sie durch die lärmerfüllten Budengassen, mit ihren vieltausendfachen Schätzen und Gerüchen, so dass Rixende auch diesen Vorfall rasch vergaß.
Fulco von Saint-Georges war freudig erregt. Tatsächlich! Da war sie wieder, diese schöne Frau, die ihm bereits in der Kathedrale eine Art Heiligen Schrecken versetzt hatte und die in Kürze – das hatte er inzwischen in Erfahrung gebracht – den Tuchhändler Aimeric Fabri ehelichen würde. Er stellte sich auf die Fußspitzen, um sie im Markttreiben besser beobachten zu können, und sah, wie sie lachend von einem Stand zum anderen schlenderte, hier einen Beutel in die Hand nahm, dort mit einem Händler sprach, ein Stück weiter an einem offenbar duftenden Tüchlein roch, und gleich darauf frische Feigen begutachtete. Die Frau an ihrer Seite schien sie bei all ihren Unternehmungen nicht aus den Augen zu lassen. Nun, dachte Saint-Georges, die Alte war gut beraten, auf ihren Schützling achtzugeben, denn nicht wenige Männer, an denen sie vorübergingen, blieben mit offenem Mund stehen, um die junge Frau anzustarren. Groß, schlank, mit feinen Gesichtszügen und einer Fülle maronenfarbenen Haares, die das goldene Netz kaum bändigte, das sie trug, gehörte Rixende Ripoll zu den Frauen, die dem Inquisitor - obwohl er Mönch war - gefährlich werden konnten. Er hatte schließlich seine Erfahrungen.
Was Saint-Georges sich in Carcassonne vor allem erhoffte, war, dass sein neues Amt ihm gewisse Freiheiten verschaffen würde, die ihm als einfacher Mönch wie auch als Vorsteher eines Klosters, verschlossen gewesen waren. Als Prior von Albi hatte er sich im grauen Dämmerlicht heimlich zu den Dirnen schleichen
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