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Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)

Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Rixende ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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Gänge der elterlichen Burg von Castillou gefegt war, um ihren Bräutigam zu suchen, der sich im Scherz vor ihr versteckt hatte. Lachend war sie Fulco um den Hals gefallen, als dieser unverhofft aus seiner Kammer getreten war, um der ausgelassenen Scharade in der sonst so stillen Burg zuzusehen. Sie hatte innegehalten, ihren zukünftigen jungen Schwager lange zärtlich auf die Lippen geküsst und ihm dann mit einem tiefen Blick in seine schönen Augen das Herz gebrochen. Doch ihr war es nicht peinlich gewesen, im Gegenteil. Hellauf lachend über sein verdutztes Gesicht, war sie weitergerannt.
    Beim Hochzeitsmahl, das unter den uralten Kastanien im Burghof stattfand, während Silberwolken am Himmel vorübersegelten, hatte sie dann mehr als einmal Fulcos Blick gesucht, denn sie hatte rasch gemerkt, dass er kaum die Augen von ihr lassen konnte, ja sie schier unentwegt anstarrte. Jedes Mal hatte sie dabei spöttisch gelächelt. Das ging so lange, bis Fulcos Bruder Eugene auf die beiden aufmerksam wurde und dem Treiben ein Ende setzte.
    Als man Fulco kurze Zeit darauf zwang, die Kutte der Dominikaner zu nehmen, hatte er zuerst erbitterten Widerstand geleistet.
    „Ich lasse mich nicht einsperren, Vater, niemals“, hatte er geschrien und war voller Wut auf seinen Bruder losgegangen, der grinsend in der Tür gestanden hatte. Doch der Vater hatte sich auch von den Tränen seiner Gattin nicht erweichen lassen, und Fulco, der gerade erst seine Ausbildung als Knappe beendet hatte, war zu jung und zu feige gewesen, um seine eigenen Wege zu gehen.
    Am Tag der Abreise, als er mit versteinerter Miene sein Pferd bestieg, sah er ein letztes Mal zur Kemenate hinauf. Er beobachtete, wie sich das Leintuch, das in Sibylles Fenster hing, fast unmerklich bewegte. Aber seine schöne Schwägerin hatte nicht zu ihm heruntergeschaut und ihm auch sonst keinen Abschiedsgruß mit auf den Weg gegeben. Nun, als Knappe hatte er einmal jemanden sagen hören, dass die Frau, die einem Mann gefällt, der Rose ähnelte, die zwar hübsch anzusehen sei, unter der sich jedoch ein scharfer Dorn verberge.
    Im Kloster St. Hilaire wurde der „Alumnus mit den feurigen Augen und der samtweichen Haut“ von einer Schar intriganter, verdorbener Mönche freudig in Empfang genommen. Bald hatte Fulco von Saint-Georges am eigenen Leib feststellen müssen, wie sehr und auf welche Weise die Männer ihre Macht über die Novizen nutzten, und die Wände der Zellen waren plötzlich nicht mehr dick genug gewesen, um jene eigentümlichen Geräusche und Töne nicht unterscheiden zu können, die in schwülen Nächten dort zu hören waren.
    Ein ganzes Jahr lang zwangen sie ihn auch, tagein, tagaus am pulpitum zu stehen und die monastischen Regeln sowie Gebete und Psalmen auf Wachstafeln zu schreiben. „ Laudare, Benedicare, Praedicare - Loben, Segnen, Predigen ist unsere Devise“, hatte der Novizenmeister ihm bedeutet, als sich der tatendurstige junge Mann einmal bitter beklagte. „Das Abschreiben frommer Texte gehört dazu. Es ist dem Mönch Dienst an Gott. Jedes Wort, das du schreibst, Novize, bedeutet zugleich einen Schlag gegen den Teufel. Der Müßiggang ist der Feind der Seele.“
    In Saint-Georges Vorstellung nahm augenblicklich sein Bruder Eugene die Gestalt des Oberteufels an. Ihm hatte er schließlich dieses irrsinnige Inferno zu verdanken, dem der Prior vorsaß! Geradezu verbissen führte er fortan die Feder, um den Bösen zu bekämpfen, so dass die Mönche sich bald über den ungewöhnlichen Fleiß des jungen Mannes wunderten. Niemand ahnte, dass er sich auf der Flucht vor sich selbst befand, weil ihm die Flucht aus dem Kloster so feige erschien wie seinerzeit die Flucht aus dem Elternhaus.
    Als es dann an der Zeit war, sich langausgestreckt dem Prior zu Füßen zu werfen, um dem Ordo Praedicatorum völlige Hingabebereitschaft zu demonstrieren, legte Fulco von Saint-Georges zwar die vorgeschriebenen Gelübde über Gehorsam, Armut und Keuschheit ab, dachte dabei aber, dass er dennoch für alle Zeiten Herr über seine Gedanken und Gefühle bleiben könnte, wenn er es nur endlich fertigbrächte, sich den Quälereien seiner Ordensbrüder zu widersetzen. Und er verschaffte sich tatsächlich Respekt. Man ließ ihn fortan in Ruhe, ja der Prior schickte ihn, den ständig Unzufriedenen, sogar zum Studium der Theologie, denn er war der Meinung, dass von dem mehr verlangt werden kann, dem mehr anvertraut ist. Dort schulte man ihn obendrein in Grammatik, Rhetorik, Scholastik

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