Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
und Dialektik. Er lernte die Macht der Worte kennen und die Gesetze der Beweisführung.
Und nun, nach einigen Jahren als Prior in Albi unter halbwegs vernünftigen und gebildeten Brüdern – sah man von Bruder Henricus ab -, war er zum Verweser des Inquisitors von Carcassonne und Albi aufgestiegen, um zukünftig nicht mit der Feder, sondern mit Hilfe der Folterinstrumente dem Teufel auf den Leib zu rücken. Jetzt hat sich das Blatt gewendet, dachte Fulco von Saint-Georges, keineswegs mehr unzufrieden, nun habe ich Macht über andere. Er lächelte in sich hinein, als er die Läden wieder schloss, weil es inzwischen stark regnete. Auch der Gärtner war längst verschwunden.
Ja, Saint-Georges war an diesem Morgen ein klein wenig stolz darauf dazuzugehören. Das Leben war nicht so schlecht, wie er gedacht hatte – ein neues Amt und diese schöne Frau, die der Schwägerin so verblüffend ähnlich sah.
6
Dass solcher Trotz hier nicht gedeihen kann,
wo, Kreis um Kreise, Liebe nur darf schalten.
Dante, Die Göttliche Komödie
Mit Flötentönen, Zimbeln und alles durchdringenden Schalmeienklängen zog die Hochzeitsgesellschaft zum Senatshaus, wo man zu feiern gedachte.
Rixende, das saphirblaue Überkleid mit Silberplättchen bestickt, hatte Tränen in den Augen.
„Was ist dir, Liebste?“ fragte Aimeric besorgt und beugte sich zu ihr hinüber.
„Ach, ich bin traurig, weil Simon nicht hier sein kann“, erklärte sie ihm leise und tupfte sich mit einem Spitzentuch die Augen. „Aton hat mir geschrieben, dass mein Bruder nicht zuletzt wegen meiner Sicherheit Carcassonne meiden müsse.“
„Wegen deiner Sicherheit?“ fragte Aimeric erstaunt, der mit gleichfalls saphirblauen Beinkleidern und einem silberfarbenen Wams unter dem Nuschenmantel stolz neben seiner schönen Braut einherschritt.
Rixende nickte. „Auch dein Vater ist der Meinung, dass bestimmte Leute keinerlei Verdacht über meine Herkunft schöpfen dürften.“
„Ich pflichte ihm bei. Aber mit der Vorsicht kann man es auch übertreiben. Wenn ich an die Wochen denke, nachdem man uns die wertvollen Ärmel geraubt hat, ha! Da ist der Vater jede Nacht zweimal aufgestanden und zum Lager hinübergelaufen, um nachzusehen, ob das Tor auch wirklich abgeschlossen ist. Du brauchst dich gewiss nicht zu ängstigen, Rixende. Schließlich trägst du nicht deinen Vaternamen. Dass du traurig bist, weil dein Bruder nicht mit uns feiern kann, verstehe ich jedoch. Ach, wenn du nur mich zu deinem Vertrauten machtest, liebste Frau, wäre das mehr, als ein junger Ehemann erwarten darf ...“
Aimeric – im Grunde seines Herzens eine Frohnatur – sorgte sich aus anderen Gründen um Rixende. Diese eigenartige Tugendhaftigkeit, mit der sie sich schmückte! Noch immer wusste er nicht, wie er sich ihr nähern sollte, ohne sie zu verschrecken. Wie merkwürdig war doch ihrer beider Verhalten, dachte er und warf einen weiteren Blick auf seine scheue Braut. Nein, von glücklichen Liebesleuten konnte bei ihnen nicht die Rede sein! Dabei war sich Aimeric seiner Sache längst sicher. Oft schon war er nachts aus feuchtwarmen Träumen erwacht, die manches versprochen hatten, auf das er in ihrer Nähe nur zaghaft zu hoffen wagte.
Wie würde es in dieser Nacht weitergehen?
Als er gestern ans Fenster des Lagerraumes getreten war - der Abendvogel hatte schon gerufen, und vor den Zinnen der inneren Stadtmauer waren die Soldaten des Seneschalls auf- und ab gelaufen - hatte er sich müde die Augen gerieben. Wo war nur die Zeit geblieben? Zuviel war in den letzten beiden Wochen auf ihn eingestürmt: Die Arbeit im Lager hatte kein Ende nehmen wollen, man hatte ihn zum Konsul gewählt und ihm obendrein das ehrenvolle Amt des Sprechers des Senats angetragen. Elias Patrice hatte sich mächtig für ihn ins Zeug gelegt:
„Schon Cicero, der große römische Philosoph und Staatsmann hat gesagt, dass der wahre Politiker sich ausschließlich am Nutzen seiner Mitbürger orientieren solle und nicht an seinem eigenen Vorteil. Wie ein Vormund solle er seine Tätigkeit ausüben, den Staat nicht als seinen Besitz und seine Beute, sondern als Aufgabe betrachten und Gerechtigkeit sowie Sittlichkeit zur Richtschnur seines Handels machen. Nun, Senatoren, nachdem der ehrenwerte Castel Fabri aus gesundheitlichen Gründen um seinen Rücktritt nachgesucht hat, wer wenn nicht sein Sohn, unser tüchtiger Aimeric Fabri, wäre als sein Nachfolger besser geeignet, frage ich Euch?“
Aimeric war überrascht und
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