Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
man ihr im Hause des Bayles die Wahrheit gesagt über den sonderbaren Glauben, dem die Eltern angehangen hatten, und den schrecklichen Tod auf dem Scheiterhaufen, den sie deswegen erleiden mussten.
Die bittere Wahrheit hatte am Ende aber auch eine schöne Seite gehabt: Simon war endlich nach Gavarnie gekommen, ihr geliebter Bruder, zu dem sie nun unterwegs war.
Abu Ras Anfa, der seinerseits Rixende kaum aus den Augen ließ, weil er sich für sie verantwortlich fühlte, hatte ihr Interesse an dieser geheimnisvollen dunklen Gestalt, die ständig neben dem Schiff einherritt, bald bemerkt, traute sich jedoch nicht nachzufragen, denn Rixende war schweigsam und in sich gekehrt wie nie zu vor. Nur abends, vor dem Schlafengehen, wenn der Mond das Schiff in ein gespenstisches Licht tauchte, war sie etwas gesprächiger. Abu Ras, der jeden Morgen einen andersfarbigen Turban trug, erregte nicht wenig Aufsehen. Doch die Mitreisenden hatten sich rasch an ihn gewöhnt und lauschten hingerissen, wenn er von den prachtvollen Palästen seiner Heimat schwärmte, in denen noch immer die Hofkunst gepflegt würde. Auch im Orient gebe es Troubadoure, erzählte er, jedoch gelte das Lob, das sie auf den Lippen trugen, keiner höhergestellten, verheirateten Frau wie im Okzident, sondern zumeist einer schönen Sklavin. Einmal holte er auch seine Flöte hervor, um den Reisenden jene maurischen Weisen vorzuspielen, die christlichen Ohren ungewohnt und faszinierend zugleich erscheinen.
An den Abenden aber erklärte er Rixende die Besonderheiten des Arabischen, wobei er eingangs immer schmunzelnd sagte: Al kalam lahu tam mithl at a am – „Sprache schmeckt wie Essen, gebt also acht, Herrin!“
Als der Kapitän endlich den Reisenden ankündigte, dass man bald in Narbonne eintreffen werde, jubelten alle. Doch Rixende schlug das Herz bis zum Hals. Eine tiefe Erregung hatte sich ihrer bemächtigt. Wie würde sich Fulco von Saint-Georges verhalten? Was war überhaupt der Grund für seine seltsame Verfolgung? Hatte er Angst, sie könnte das Vermögen der Fabris außer Landes bringen?
In der Nacht vor der geplanten Ankunft ging ein schweres Gewitter mit stürmischen Winden nieder. Nachdem im Morgengrauen noch immer eine kräftige Brise wehte, beschloss der Kapitän, endlich die Segel zu setzen. Die Treidler begleiteten das Schiff noch eine Weile, ritten dann aber weiter. Um die Mittagszeit schien trotz heftigem Wind wieder die Sonne, und die Wellen glitzerten. Merkwürdigerweise war von Saint-Georges an diesem Tag keine Spur zu sehen, obwohl man einen dunklen Ulmenwald längst hinter sich gelassen hatte.
Nach einer Weile kam der Kapitän auf Rixende zugeschlendert. Wieder hatte er sein lächerliches, viel zu kleines smaragdfarbenes, über und über mit falschen Perlen besticktes Samtbarett auf dem roten Schopf. Es war ebenso von der Sonne verschossen wie sein schwarzes Wams und seine Beinlinge. In der Rechten schwenkte er eine neunschwänzige Katze, die er, nach eigener Aussage, irgendwann in einem Zweikampf einem Mauren abgenommen hatte. Es geschah nicht selten, dass er damit einem seiner Schiffer, wenn dieser zu langsam arbeitete, im Vorübergehen eines überzog. Der Mann fluchte gerne und laut, obendrein spuckte er andauernd in den Fluss. Andererseits war er leutselig, und überließ oft das Ruder einem Schiffsmann, um sich ein wenig mit Rixende oder einem der anderen Reisenden zu unterhalten. Da geschah es dann, dass er lautstark über die elenden Müller und Fischer herzog, die ständig mit den Schiffern im Streit lägen; er erzählte von seiner Zeit auf hoher See, von furchtbaren Stürmen und Schiffsbrüchen, die er überlebt hätte, von geheimnisvollen, flackernden Lichtern am Horizont und von Meeresungeheuern. Manchmal aber schwärmte er auch von seiner Heimat Bigorre, und dabei wurden seine Augen feucht. Dass ihm das Schiff gar nicht gehörte, weil er das Kind armer Eltern war, schien er auf die leichte Schulter zu nehmen.
„Das Herrin“, meinte er nun schmunzelnd, „ist nicht so tragisch, denn ich bin schon so lange Kapitän auf der ´Jeanne`, dass jedermann denkt, sie sei mein eigen. Ja, ich liebe mein Schiff, edle Dame“, sagte er zum wiederholten Male und sah hinauf zu den blau-weiß-gestreiften dreieckigen Segeln, die sich im Wind blähten. „Ich liebe es vor allem, wenn es freigelassen ist, frei von den Zügeln der Treidler wie heute, unabhängig, einzig den günstigen Winden und den Wellen ausgesetzt. Da zeigt sie, was sie
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