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Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)

Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Rixende ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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zuzusehen. Zusammen mit einem von Rixendes Knechten kümmerte er sich um das Gepäck, die Verpflegung und die Pferde, die sie mit an Bord genommen hatten. Es war erstaunlich, was man in diesem schlanken, kleinen Schiffsleib alles unterbringen konnte.
    Unter lautem Rufen, Fluchen und heftigem Läuten der Schiffsglocke setzte sich das Schiff in Bewegung. Rixende winkte ein letztes Mal Benete zu, die sie zur Anlegestelle begleitet hatte, und beobachtete dann, wie geschickt die Treidelpferde und -reiter ihre harte Arbeit versahen. Die Rösser liefen – vom Wasser abgewandt – halbschräg in Richtung Böschung, und die Reiter saßen dabei im Damensitz, das Langmesser griffbereit, um bei Gefahr rasch abspringen und die Seile kappen zu können. Trotz der Flaute machten sie schnelle Fahrt. Bald verschwanden Carcassonnes Türme im Frühnebel.
    Gerade als Rixende von ihrem Aussichtsplatz aufstehen wollte, um sich den winzigen Aufenthaltsraum im Bug des Schiffes einzurichten, bemerkte sie aus den Augenwinkeln heraus, wie eine dunkle Gestalt an das Ufer heranritt. Sie fuhr herum und hielt die Hand vor Augen, weil die aufgehende Sonne sie blendete. Der Mann sprang vom Pferd, blieb dann unbeweglich auf der Uferböschung stehen, um dem Schiff hinterherzusehen. Als er die Hand zum Gruß hob, erkannte sie ihn: Es war Fulco von Saint-Georges.

20
    Zur graden Bahn den Blick nun wieder wende,
    den Weg zu kürzen, da die Zeit verrinnt ...
    Dante, Die Göttliche Komödie

    Délicieux hatte sich gut vorbereitet. Am Ende der Tagung des Generalkapitels in Marseille hatte er sich gemeldet und mit eindringlichen Worten die Situation in Carcassonne und Albi geschildert. Daraufhin musste er erfahren, dass Nikolaus von Abbéville bereits Beschwerde über ihn wegen Behinderung der Inquisition eingelegt hatte. Er warf ihm Eifersucht auf die erfolgreiche Tätigkeit der Dominikaner, hinsichtlich der Bekämpfung der Häresie vor -, was nicht nur Délicieux zum Lachen brachte. Als Délicieux aber vom nachträglich als Ketzer gebranntmarkten Castel Fabri erzählte, flammte der Zorn der Versammelten auf. Man kannte Bernhard gut, wusste um seine Hochherzigkeit und auch, dass er niemals übertrieb; und man schätzte seine Zuverlässigkeit wie seine Gelehrsamkeit.
    Um das Jahr 1284 nach der Fleischwerdung des Herrn war Délicieux in den Orden der Franziskaner eingetreten und rasch mit den führenden Geistern seiner Zeit in Beziehung getreten. Er kannte nicht nur den hochgerühmten Doktor mirabilis Roger Bacon persönlich, der eine wertvolle geschliffene Linse sein eigen nannte und obendrein eine sonderbare Weltkarte, die er Délicieux eines Tages gezeigt hatte, sondern auch Raimundus Lullus, diesen herausragenden Dichter und Philosophen, dessen ganzes Bemühen der christlichen Theologie, den Künsten und Naturwissenschaften galt und der – weil er verheiratet war – zum Franziskanertertiar ernannt worden war, eine für Verheiratete mögliche Form des monastischen Lebens.
    Mit Lullus war sich Délicieux seit langem einig, dass die Ausrottung der Ketzerei, in den Händen der Dominikaner nur ein Vorwand für Unterdrückung und Erpressung war. Nicht mit Gewalt wie jene, sondern mit rationes necessariae - mit zwingender Vernunft musste man ihr begegnen, so Délicieux und Lullus, um ein für allemal die Wahrheit des Christentums zu beweisen und der christlichen Religion zum Sieg zu verhelfen.
    Raimundus Lullus wohnte ebenfalls dem Generalkapitel in Marseille bei. Als Délicieux geendet hatte, stand der bärtige Mann von imposanter Gestalt auf.
    „Meine lieben Brüder, lasst mich Euch die Geschichte des Sultans von Tunis erzählen, den man zum Christentum bekehren wollte. Der Sultan fragte den christlichen Gelehrten, der ihn in den Glauben eingeführt hatte, warum er denn eher an das Christentum als an den Islam glauben solle. Der Christ antwortete ihm, dies sei eine Frage des ´Glaubens`, darauf der Sultan: ´Warum sollte ich aus Glaubensgründen meinen Glauben für einen anderen aufgeben – credere pro credere? Nein, ich will nur das glauben, was meine Vernunft mir sagt: credere pro vero intelligere.
    Nun, Ihr kennt seit langem meinen Standpunkt, liebe Brüder: Ihr wisst, ich lehne jede Form von erzwungener Bekehrung ab. Der menschliche Geist – wenn er vernunftbegabt ist – ist in der Lage, freiwillig die Entscheidung zu treffen, den christlichen Glauben anzunehmen, wenn man ihm die Überlegenheit der christlichen Lehre in einer verständlichen Form

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