Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
kann, die gute ´Jeanne`, ja, da ist es eine rechte Lust, ihr zuzusehen! Aber Euch anzusehen, meine Liebe“ - mit diesen Worten trat er einen Schritt auf Rixende zu, um plötzlich etwas zu tun, was er zuvor nur manchmal mit den Augen getan hatte, er strich mit der neunschwänzigen Katze sanft über ihren Busen -, „Euch anzusehen, ist mir ebenso sehr eine Lust ... Ihr seid mir eine rechte Hübscherin!“
Rixende wich entsetzt zurück. „Wie könnt Ihr es wagen!“ rief sie empört und dann laut: „Abu Ras!“
Da gab es plötzlich einen heftigen Ruck, und zugleich ein schreckliches Geräusch. Das Schiff ächzte und knirschte, als wollte es auf der Stelle auseinanderbrechen. Der Kapitän riss vor Überraschung Mund und Augen auf und ließ die neunschwänzige Katze fallen. Noch bevor er Anstalten machen konnte, um zum Ruder zu eilen, ging ein weiterer Ruck durch das Schiff. Die Schiffsleute und die beiden anderen Reisenden, die sich an der frischen Luft befanden, schrien auf, Taue rissen, ein Kübel rollte scheppernd über das Deck. Rixende, noch immer erbost über die Unverschämtheit des Kapitäns, hörte laut die Pferde wiehern. Da wurde ihr unverhofft der Boden unter den Füßen weggezogen. Halb fiel sie auf den Kapitän, der seinerseits heftig mit den Armen ruderte, um sein Gleichgewicht zu behalten, dann schlug sie hart mit dem Kopf auf den Planken auf. Kurz bevor sie ohnmächtig wurde, bemerkte sie zu ihrem Schrecken, dass sich das Schiff zur Seite neigte.
21
Von Mitte wellts zum Rand, vom Rand zur Mitten,
wenn Wasser Stoß verspürt in runder Schale ...
Dante, Die Göttliche Komödie
Jede Flussfahrt birgt Risiken. Durch Geröllgeschiebe und vor allem in heißen Sommern können unvermutet mächtige Sandbänke auftauchen. Das hätte der Kapitän der „Jeanne“ wissen müssen, der so große Stücke auf seine Erfahrung hielt und dennoch zugelassen hatte, dass das Schiff überladen und nicht selten nur von seinem „faulen Pack“ geführt wurde. Zwar glaubte er, jede Untiefe, jede gefährliche Stelle der Aude zu kennen wie den Inhalt seines Beutels, doch in diesem Jahr waren die Wasserstände ungewöhnlich gefallen. Kurz vor Narbonne drohte die Aude gar, völlig zu versanden, womit der Verbindungsweg zum Meer abgebrochen war.
Auch an diesem Morgen war Saint-Georges neben dem Ufer einhergeritten, doch war der Weg auf dem Damm durch den nächtlichen Gewitterregen derart aufgeweicht, dass er sich einen anderen Pfad gesucht hatte, verborgen vor Rixendes Blicken.
Nun hörte er beängstigende Geräusche vom Fluss und gleich darauf Schreie. Ungeachtet des rutschigen Untergrunds ritt er die Anhöhe hinauf, umging dabei geschickt ein Gestrüpp von Weiden und alten Flechtzäunen und erreichte bald den Kamm der Böschung. Dort zügelte er sein Ross.
Rixendes Schiff lag gestrandet vor seinen Augen, inmitten der noch immer aufgewühlten Aude, die auf den ersten Blick nicht erkennen ließ, dass sie für einen schwerbeladenen Segler nicht mehr genug Wasser führte. Das Schiff war offenbar achtern von der Strömung zur Seite gedrückt worden, und der Wind hatte sein übriges getan. An Saint-Georges` Ohren drangen infernalische Schmerzensschreie, dazu Pferdewiehern, Schafeblöken - und er sah, wie einzelne Leute sich ungeschickt an dicken Seilen ins Wasser hinabließen. Doch wie er auch seine Augen anstrengte, nirgends konnte er Rixende erblicken. Entschlossen ritt er ans Ufer hinunter und band sein Pferd an einen einzelnen Weidenstumpf. Im Wasser versuchten inzwischen einige Schiffer, eine Art Kette zu bilden, indem sie sich in Abständen an einem dicken Seil festhielten und auf der Stelle schwammen. Der Inquisitor warf seinen Umhang ab und watete bis zur Brust in den Fluss hinein, um diejenigen in Empfang zu nehmen, die sich an diesem Rettungsseil entlanghangelten, weil sie nicht schwimmen konnten. Immer wieder warf er dabei einen Blick zum gestrandeten Schiff hinüber, in der Hoffnung, endlich Rixende zu erblicken oder wenigstens diesen unverschämten Muselmanen, der sich ständig an ihrer Seite aufzuhalten schien. Doch von beiden war keine Spur zu sehen. Wieso hatte man die einzige Frau, die sich an Bord befand, nicht zuerst gerettet? Der Wind heulte, und die Aude schäumte und tobte, als ob sie diesen Fremdkörper wieder ausspucken wollte, der sich auf sie gelegt hatte und nicht mehr fortbewegen wollte. Da hangelte sich plötzlich der Kapitän an Saint-Georges heran.
„He“, rief Saint-Georges ihm zu. „Wo
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