Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
nicht hören wollten.
Weisungsgemäß ließ er am nächsten Morgen die Männer von Albi und obendrein den Cellerar verhaften und nach Carcassonne verbringen. Um Calveries würde er sich persönlich kümmern. Der Müller zumindest hatte eine Chance verdient. Wenn er mit ihm redete, würde er sicherlich abschwören.
Mit der Verhaftung ihrer besten Männer brach die Finsternis über Albi herein, die schöne alte Stadt am Tarn, die schon Römer, Westgoten und Sarazenen in ihren Mauern gesehen hatte, die man aber seit den Tagen des Heiligen Bernhard als hochgradig ketzerisch verseucht ansah. Die rote, wehrhafte Kathedrale war nicht zuletzt als katholisches Bollwerk gebaut worden, um die Ketzer einzuschüchtern. Ihre monumentale Größe, ihr martialischer Anblick allein schien auf den ersten Blick jeden Unglauben zu erschüttern. Doch auch sie hatte es nicht vermocht, den römisch-katholischen Glauben fortan rein zu halten.
„Weshalb ausgerechnet meinen Mann?“ hatte die Frau des Guilheme Calveries Saint-Georges angeschrien und sich voller Verzweiflung an die Brust geschlagen, als man ihn abführte. „Welche Beweise liegen Euch vor, ehrenwerter Prior? Mein Mann lügt und trinkt, isst sogar täglich Fleisch – wie kann er da Katharer sein? Außerdem wohnt er regelmäßig der Messe bei und erfüllt alle seine religiösen Pflichten! Wenn Ihr selbst es vergessen habt, was ich mir nicht vorstellen kann, so fragt unseren guten Bischof Bernhard!“
Fulco von Saint-Georges hatte geschwiegen, wenngleich ihm die Vorwürfe der Frau nicht unberührt gelassen hatten. Doch sie konnte nicht wissen, dass Bischof Bernhard von Castaignet, Herr über ausgedehnte ländliche Liegenschaften und Vizeverwalter der Inquisition, mit einigen der Delinquenten heftig im Zwist lag. Nicht wenige der soeben verhafteten Männer hatten sich nämlich geweigert, ihm mehr als den obligatorischen Zehnten zu zahlen, Gelder, die dringend für den festungsartigen Ausbau seines Palastes und die Erweiterung der Kathedrale St.-Cécile benötigt wurden. Calveries befand sich unter ihnen. Das hatte Saint-Georges noch in der Nacht herausbekommen.
„Ein Sturm der Empörung wird über unser Land fegen!“ hatte auch Castel Fabri ausgerufen, als er sich nach Bekanntwerden dieses Vorfalls mit seinem alten Freund, dem Konsul Elias Patrice, zur Beratung in seine Schreibstube zurückgezogen hatte.
„Sogar Garric hat es erwischt. Und ich kann nichts dagegen tun. Weshalb hat man ihn verhaftet, wenn man eigentlich seinen Bruder meint, der selbstredend ein unverbesserlicher Ketzer ist, ein parfait sogar, wie man hört?“
„Man bekommt ihn eben nicht zu fassen, diesen Vollkommenen! Er ist fast ebenso berühmt oder berüchtigt - wie immer man es sehen mag - wie der Erzketzer Authié, und das Volk hält ihn versteckt. Nein, ich vermute, es war Garrics Wohlstand, der Nikolaus von Abbévilles Begierde geweckt hat oder die des Bischofs von Albi“, hatte Patrice gemeint. „Aber gerade das macht mir Sorgen. Denn muss man nicht befürchten, dass es uns in Carcassonne bald ähnlich ergehen könnte? Abbéville erzählt schon überall herum, dass unsere Stadt ein hoffnungsloses Nest von Ketzern sei, welches strengste Züchtigung verdiene. Auch wenn wir allesamt gute Katholiken sind, mein lieber Fabri, so sind wir, wie die meisten Verhafteten aus Albi, nicht gerade unvermögend. Ich denke, in dieser Situation kann uns nur noch die Krone helfen! Wir sollten sofort handeln und den Seneschall des Königs, Gui Caprier, einschalten.“
„Gut“, sagte Castel Fabri eisig. „Ich sehe nicht ganz so schwarz wie du, doch soll der Senat ruhig eine Appellation aufsetzen. Bleibt jedoch erneut des Königs Hilfe aus, so braucht sich Philipp der Schöne nicht zu wundern, wenn sich sein Volk irgendwann nach einem anderen Herrscher umsieht!“
Patrice nickte zustimmend. Er kannte die Geschichte, auf die sein Freund gerade angespielt hatte. Obwohl man vor Jahren Nikolaus von Abbéville einer offensichtlichen Fälschung überführt hatte, war der König in Fontainebleau untätig geblieben. Seit dieser Zeit war das Verhältnis des Senats von Carcassonne zur Krone, von der Inquisition nicht zu reden, nachhaltig gestört.
„Was ist das nur für eine Zeit, mein Täubchen!“ klagte auch Mengarde und ließ sich seufzend auf Rixendes Bett fallen. „Da hat dich dein Bruder geradezu gedrängt, hierher zu fahren, weil du hier sicherer wärst als in Gavarnie, und nun dies! Das Gesinde sagt, dass
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