Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
man sich noch immer, dass Dominikus` Mutter, bevor sie ihn empfing, geträumt hatte, sie trüge ein Hündlein in ihrem Schoß, das eine brennende Fackel in seinem Munde hielt, welche – sobald es ihren Leib verließ – die ganze Erde zu entzünden schien. Doch der freundliche, brave Mann war sein Leben lang ein zahnloser Hund geblieben und hatte nur wenige Ketzer mit seinen Reden überzeugt, obwohl er selbst bei glühender Hitze bergauf und bergab auf holprigen Straßen gezogen war, um auf den Marktplätzen das „Predigtwerk Christi“ zu verkünden. Statt eine „göttliche Offenbarung“ zu erfahren, hatten die Menschen die Bettelmönche verjagt oder bestenfalls verspottet. „Ihr habt Euch wohl vom Saulus in den Paulus verwandelt? Das apostolische Mäntelchen, das ihr euch übergezogen habt, kann uns nicht täuschen“, hieß es allenthalben.
Mit welcher Hartnäckigkeit hielt sich nur diese Häresie und mit welcher Begeisterung wurde sie noch immer vom Volk aufgenommen, so dass sogar der brave Calveries ihr zum Opfer gefallen war? Nach der Euphorie, mit der Eroberung des Montségur und der Verbrennung der dort verschanzten katharischen Elite endlich dem „Drachen“ den Kopf abgeschlagen zu haben, war das Entsetzen unter dem Klerus und der Inquisition groß, als man erkannte, dass dem Drachen hydragleich und rasend schnell zahlreiche andere Köpfe nachgewachsen waren.
Der frischgebackene Inquisitor Fulco von Saint-Georges sah vom Fenster aus, wie unten im Hof eiligen Schrittes Bruder Henricus, der Cellerar, zur Klosterpforte lief. Rasch trat er ein Stück zurück, und beobachtete dann, wie der hagere Mönch mit dem bleichen Gesicht und den unheimlichen Augen bei der Pforte innehielt, Bruder Leonardus zu sich herauswinkte und leise auf ihn einredete. Was heckten die beiden schon wieder aus? Übers Jahr hatte es ihretwegen unter den Mönchen öfter heftigen Streit gegeben. Es war meist um Kleinigkeiten gegangen, einmal hatten die beiden allen Ernstes die These aufgestellt, dass eine Maus, die heimlich vom Taufwasser gesoffen hätte, für getauft zu halten wäre. Dann aber hatte es heftige Meinungsverschiedenheiten gegeben, die Bischof Castaignet betrafen, dem sie Maßlosigkeit vorhielten, und Fulco von Saint-Georges hatte mit eisernen Besen kehren müssen, um die Ehre des Bischofs und die Ruhe im Kloster wiederherzustellen. Seit kurzem nun sagte man dem Cellerar nach, dass er dem Averroismus nahestände und heimlich die verbotenen Schriften dieses Siger von Brabant läse, die von der einen, allen gemeinsamen Vernunft handelte. Saint-Georges hatte keine Zweifel an dieser unglaublichen Anschuldigung gehabt – er kannte seinen Cellerar -, und hatte deshalb zweimal in Henricus` Abwesenheit sein Pult durchsuchen lassen, jedoch nichts entdeckt, das für eine Anklage gegen Häresie ausgereicht hätte. Der Mann war durchtrieben.
Statt seiner war nun der Müller Calveries angeklagt, etwas, was dem Prior einfach nicht aus dem Kopf gehen wollte.
Saint-Georges trat wieder näher ans Fenster und spähte hinab. Konnte es sein, dass sich die Nachricht von der bevorstehenden Verhaftung der Albigenser bereits herumgesprochen hatte? Nachdem der Cellerar schließlich zum Küchentrakt zurückgekehrt war, atmete der Prior mehrere Male tief und befreit die kalte Abendluft ein. Dann setzte er in die Tat um, was zuvor in seinem Kopf Gestalt angenommen hatte. Er nahm sich noch einmal die Liste der Verdächtigen vor und ergänzte sie nach kurzem Zögern um den Namen des Cellerars. Schließlich konnte seinem Nachfolger, Prior Conrad, der ständige Ärger mit Bruder Henricus nicht zugemutet werden, dachte Saint-Georges und fühlte seinen Entschluss allein aus diesem Grund gerechtfertigt. Einen Häretiker im Kloster zu haben, war nicht nur nicht tragbar, es war höchst gefährlich. Aber da war da noch der seltsame Todesfall von Bruder Berthold vor einem Jahr. Schon damals hatte es Gerüchte gegeben, dass Henricus nachgeholfen hätte, weil Berthold ihn nicht mehr hatte decken wollen. Wer weiß, vielleicht würde er jetzt – als Inquisitor – die Wahrheit erfahren.
Zufrieden blies Saint-Georges die Asche vom Dokument und rollte es zusammen.
Ab heute gehörte er also zu den domini canes. Auf dieses Schimpfwort, das den Inquisitoren galt, war er nicht sehr stolz. Trotzdem gefiel es ihm, dass die „Hunde des Herrn“ lieber handelten, statt endlos zu debattieren oder mit feurigen Worten Botschaften zu verkünden, die die Menschen gar
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