Robin und Gott
Jesuskind...“
Papa kommt zurück ins Zimmer. Er nimmt den Stuhl, auf dem Mama immer sitzt, wenn sie eine Geschichte vorliest, und knipst das Licht wieder an.
„Früher“, sagt Papa, „vor langer, langer Zeit...“
„Als Opa Matrose war?“, fragt Robin.
„Nein, noch viel früher.“
„Als es noch Ritter gab?“, fragt Robin.
„Ja“, sagt Papa, „und noch viel länger her.“
„Als es noch Dinosaurier gegeben hat?“, fragt Robin.
„Ja“, sagt Papa, „damals.“
Das ist lange, lange her!, denkt Robin. Er freut sich. Papa sitzt auf Mamas Stuhl und erzählt.
„Damals“, sagt Papa, „damals wussten die Menschen noch fast gar nichts. Sie wussten nicht, warum die Sonne jeden Morgen aufgeht und jeden Abend wie der untergeht, sie wussten nicht, warum der Mond nicht runterfällt, sie wussten nichts über Ebbe und Flut und sie wussten nichts über Gewitter...“
„Sie hatten noch nicht mal Autos!“, sagt Robin.
„Das meine ich“, sagt Papa.
Robin nickt zufrieden.
„Und wenn du von all diesen Dingen nichts weißt“, erzählt Papa, „dann glaubst du: Da ist bestimmt jemand, der das alles gemacht hat. Ein großer und starker Jemand, der jeden Tag mit einem Schubkarren mit der Sonne drin den Himmel entlangrennt. Jemand, der die ganze Nacht den Mond festhält. Jemand mit einem so starken Atem, dass er das Wasser beim Ausatmen bis an den Strand pustet, und es beim Einatmen wieder vom Strand wegsaugt. Jemand, der anfängt zu donnern, wenn er zornig ist, und Feuerspeere vom Himmel herabwirft.“
„Gewitter“, sagt Robin.
„Genau“, sagt Papa. „Und weil die Menschen nichts von alledem wussten, glaubten sie, dass da so ein starker Jemand war. Sie hatten große Angst vor ihm. Sie wollten ihn lieber zum Freund haben.“
„Das war der liebe Gott“, sagt Robin.
„Ja“, sagt Papa. „Gott. Aber“, schiebt er schnell hinterher, „jetzt wissen die Menschen über all diese Dinge Bescheid. Jetzt wissen sie, dass sich die Erde um die Sonne dreht und dass der Mond sich um die Erde dreht, jetzt wissen sie Bescheid über Ebbe und Flut, und jetzt wissen sie auch, dass Gewitter Elektrizität ist.
„Diang-deng“, sagt Robin.
Papa lacht.
„Du mit deinem diang-deng“, sagt er.
Robin lacht auch.
„Und“, sagt Papa, „weil die Menschen all diese Dinge jetzt wissen, brauchen sie nicht mehr an so einen großen, starken Jemand zu glauben und müssen zum Glück auch keine Angst mehr vor ihm haben.“
Robin denkt lange darüber nach. Er weiß all diese Dinge noch nicht. Das mit der Sonne, dem Mond, der Ebbe und der Flut und dem Gewitter.
„Papa, haben die Ritter wirklich an Gott geglaubt?“, fragt er.
„Ja“, sagt Papa.
„Alle Ritter?“
„Alle Ritter.“
„Und Mama?“
„Nein, Mama glaubt nicht an Gott.“
„Und Oma?“
„Oma auch nicht.“
„Und Opa?“.
„Tja“, sagt Papa. „Eigentlich... eigentlich glaube ich schon, dass Opa ein bisschen an Gott glaubt.“
Schön, denkt Robin.
„Gut“, sagt Papa, „bis jetzt war’s nett. Träum was Schönes in deinem Bett.“
Papa macht das Licht aus.
„Gute Nacht, Papa“, sagt Robin.
Aber Robin schläft noch lange nicht.
Ich frage Opa, wie der liebe Gott aussieht, denkt er. Opa weiß es sicher. Ich frage ihn, wenn Papa nicht dabei ist. Und Mama und Oma auch nicht.
Wenn ich alleine bin mit Opa, dann frage ich ihn.
Stern
Robin kann nicht schlafen. Er liegt in seinem Bett und es ist schon sehr spät, aber er kann nicht schlafen. Knor schläft schon lange. Robin denkt an die Geschichte vom Fischer und seiner Frau. Er denkt an Frau Ilsebill, die der liebe Gott sein wollte. Er denkt an die schrecklichen Worte des Zauberfischs: „Geh nur nach Hause. Sie sitzt schon wieder im Pisspott.“
Aber das Schlimmste ist: Unten ist es so schön!
Robin will noch nicht schlafen!
Er möchte unten sein. Bei Mama, Papa, Oma und Opa. Er hört ihre Stimmen. Sie reden. Und sie lachen! Das ist das Allerschlimmste, dass sie lachen. Und das Aller-Allerschlimmste ist, dass Opa lacht.
Robin möchte auf Opas Schoß sitzen. Im Sessel neben dem Ofen. Er möchte sein Ohr an Opas Brust drücken. Er will Opa brummen hören, bis es an seinem Ohr kribbelt. Er möchte den Anker auf Opas Arm streicheln. Er möchte, dass Opa wieder erzählt.
Das möchte Robin.
Aber er traut sich nicht nach unten.
Er ist schon einmal runtergegangen, weil er Pipi machen musste. Noch einmal traut er sich nicht. Wenn er noch mal runtergeht, werden die Erwachsenen
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