Robin und Gott
ins Bett.
Sie gehen in Robins Zimmer. Die Vorhänge sind noch zu. Im Winter ist es dunkel, wenn man morgens aus dem Bett steigt. Dann vergisst man leicht, die Vorhänge aufzumachen. Das ist praktisch, denn dann muss man sie abends nicht zuziehen.
Aber jetzt will Robin nach draußen schauen. Er will den Schneemann sehen. Er läuft zum Fenster. Er schiebt die Vorhänge auf und sieht in den Garten. Da steht der Schneemann. Mit Omas Hut und Papas Schal.
Robin kann alles gut sehen. Der Schneemann steht kerzengerade im Licht des Mondes und der Sterne. Er schimmert bläulich. Er lacht noch immer und...
Der Mond? Die Sterne! Die Wolken sind verschwunden. Die Sterne sind wieder da!
„Opa!“, sagt Robin. „Schau dir die Sterne an!“
Opa kommt zum Fenster.
„Oh, das finde ich immer so schön“, sagt er, „die Sterne in einer Winternacht... Jetzt gibt es strengen Frost.“
Opa nimmt Mamas Vorlesestuhl und setzt sich vor das Fenster. Robin sucht den Fiimmel ab. Wo ist nur der Stern? Der große Stern? Der hellste Stern? Der Stern, wo Gott wohnt...? Robin späht und späht. Dann sieht er ihn.
Hoch über dem Obstgarten von Pieters Vater, hoch am Himmel. Da steht er. Er strahlt noch heller als das letzte Mal.
„Opa...“, sagt Robin.
Er krabbelt auf Opas Schoß.
„Was ist denn, mein Junge?“
Robin will von dem Stern erzählen.
„Opa...“, sagt er.
Aber er traut sich nicht es zu erzählen. Er möchte schon, aber er traut sich nicht. Und plötzlich sagt er etwas ganz anderes!
„Opa“, sagt er, „bei starkem Frost, geht dann der ganze Schnee weg?“
„Nein, meistens nicht“, sagt Opa. „Der Schnee wird dann oben sehr hart. Schneebälle werfen kann man dann nicht mehr.“
„Und der Schneemann?“
„Der gefriert und bleibt genauso stehen, wie er jetzt steht.“
„Dauert der Frost lange?“
„Das weiß man nie“, sagt Opa. „Es kann lange dauern.
„Wenn du dann wieder weg bist“, sagt Robin, „steht der Schneemann immer noch...“
„Ja“, sagt Opa. „Nur glaube ich, dass Oma dann ihren Hut mitnimmt.“
„Ja“, sagt Robin, „das glaube ich auch.“
Sie sagen nichts mehr. Sie schauen zu dem Schneemann, dem Mond und den Sternen in der großen, weiten Nacht.
Dann fragt Opa: „Kannst du ein Geheimnis bewahren?
Robin nickt. Das klingt schön: Ein Geheimnis bewahren.
Er möchte gerne ein Geheimnis bewahren.
„Früher“, sagt Opa, „vor langer, langer Zeit...“
„Als du ein Matrose warst?“, fragt Robin.
„Nein“, sagt Opa. „Später, als ich Vater wurde. Als dein Papa ein kleiner Junge war... Damals.“
Robin findet es schön, wenn Opa von früher erzählt. Er legt sein Ohr an Opas Brust und hört, wie die Stimme durch seinen Brustkorb nach draußen brummt. Er streichelt den kleinen blauen Anker auf Opas Arm. „Damals, als dein Papa ein kleiner Junge war“, erzählt Opa, „ungefähr so alt wie du jetzt bist, da brachte ich ihn natürlich auch ins Bett. Oft standen wir dann noch eine Weile am Fenster und schauten hinaus. Schauten nach den Lichtern auf dem Platz und in die große Nacht da oben. Wir sahen nach den Wolken, und wenn keine da waren, sahen wir nach dem Mond und den Sternen.“
„So wie wir“, sagt Robin.
„Genau so“, sagt Opa. „Und eines Abends zeigte dein Papa auf einen großen, hellen Stern. Es war Winter. Genau wie jetzt. Die ganze Stadt war weiß. Und dein Papa zeigte auf den Stern. Ja, ich weiß zwar nicht mehr so genau, welcher Stern es war, aber er war der größte und hellste Stern von allen.“
Robin hält den Atem an. Er weiß genau, welcher Stern es war.
Er schon.
„Wir standen da“, sagt Opa, „und dein Papa zeigte auf diesen großen, hellen Stern, und sagte:
,Dort wohnt Gott‘.“
Opa ist einen Moment still. Robin auch. Nur kurz. Dann lässt er sich von Opas Schoß gleiten. Er nimmt Opas Hand.
„Steh mal auf“, sagt er.
Opa steht auf. So stehen sie zusammen am Fenster, Robin und Opa. Sie schauen in den Nachthimmel. Der Stern steht strahlend hoch über dem weißen Garten.
Robin zeigt auf den Stern und sagt:
„Schau, Opa, der Stern da, der war es.“
„Glaubst du das wirklich?“, fragt Opa.
Robin nickt. Er weiß es ganz sicher.
Opa schaut sich den Stern noch mal genau an. Dann sagt er:
„Jetzt, wo du es sagst... Ich glaube, du hast Recht.“
„Ich weiß es ganz sicher“, sagt Robin.
„Dann ist es so“, sagt Opa.
Unten im Wohnzimmer beginnt Mama Klavier zu spielen.
„Ich hoffe, dass es lange so kalt bleibt“,
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