Robinson Crusoe
brauchte.
Er zeigte sich sehr gerührt darüber und gab mir zu verstehen, es tue ihm leid, daß ich nun seinetwegen mehr Arbeit hätte als für mich allein und daß er dafür um so fleißiger arbeiten wolle; ich solle ihm nur alles befehlen. Dies war das schönste Jahr von allen,die ich auf dieser Insel verbrachte. Freitag fing an, ganz leidlich zu sprechen, und verstand die Namen fast aller Dinge, über die ich mit ihm zu sprechen Gelegenheit hatte, und jedes Ortes, an den ich ihn schickte. Auch schwatzte er viel mit mir, so daß meine eigene Zunge wieder gelenkig wurde, die lange geruht halte. Außer dem Vergnügen, mit ihm zu sprechen, hatte ich auch meine Freude an dem Burschen selber.
Seine einfache, ungeheuchelte Ehrlichkeit offenbarte sich mir von Tag zu Tag mehr, und ich fing an, ihn wirklich zu lieben, wie auch ich ihm, glaube ich, lieber war als jemals etwas in seinem ganzen Leben.
Eines Tages wollte ich ihn auf die Probe stellen, ob er wohl noch irgendwelche Sehnsucht nach seinem eigenen Lande hätte; und da er inzwischen so viel Englisch gelernt hatte, daß er mir fast alles beantworten konnte, fragte ich ihn, ob der Volksstamm, zu dem er gehörte, niemals in einer Schlacht gesiegt habe. Darauf lächelte er und sagte:
«Ja, ja. Kämpfen immer besser.» Hiermit wollte er sagen, sie blieben immer Sieger. So entspann sich folgender Dialog: «Ihr kämpft immer besser!» sagte ich. «Wie kommt es dann, daß du gefangen wurdest, Freitag?»
Freitag: «Mein Volk dafür schlug sie sehr.»
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Ich: «Wie schlug? Wenn dein Volk sie schlug, wie wurdest du dann gefangengenommen?»
Freitag: «Sie mehr waren an dem Ort, wo ich war.
Nahmen ein, zwei, drei und mich. Mein Volk schlug sie an einem ändern Ort, wo ich nicht war. Dort mein Volk nahm ein, zwei große Tausend.»
Ich: «Aber warum befreiten deine Leute dich nicht aus den Händen deiner Feinde?»
Freitag: «Liefen fort mit eins, zwei, drei und mir, machten uns in die Kanoes gehen. Mein Volk keine Kanoes damals.»
Ich: «Gut, Freitag, was machte denn dein Volk mit den Feinden, die es gefangennahm?
Schleppten sie sie fort und aßen sie, wie die andern es taten?»
Freitag: «Ja, mein Volk essen auch Menschen, essen alle.»
Ich: «Wo bringen sie sie hin?» Freitag: «Bringen sie zu anderem Ort.» Ich: «Kommen sie auch hierher?»
Freitag: «Ja, ja, kommen hier, kommen anderen Ort.»
Ich: «Bist du auch einmal mit ihnen hier gewesen?»
Freitag: «Ja, hier gewesen.» Er zeigte nach dem Nordwesten der Insel, was offenbar ihre Seite war. Ich verstand daraus so viel, daß mein Mann, Freitag, auch unter den Wilden gewesen war, die auf die andere Seite der Insel zu kommen pflegten, um ihre kannibalische Mahlzeit zu halten. Einige Zeit später, als ich mir ein Herz faßte und ihn auf die andere Seite führte, erkannte er sogleich die Stelle wieder und sagte, hier sei er einmal gewesen, als sie zwanzig Männer, zwei Frauen und ein Kind aufgefressen
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hätten. Er konnte zwanzig nicht auf englisch sagen, aber er legte ebenso viele Steine in eine Reihe und ließ mich zählen.
Ich habe dies nur erzählt, weil es zum folgenden überleitet. Ich fragte ihn nämlich nach diesem Gespräch, wie weit es von unserer Insel bis zum Festland sei und ob nicht oft Kanoes unterwegs untergingen. Er sagte, da sei keine Gefahr, kein Kanoe sei jemals untergegangen; aber etwas weiter draußen in der See sei eine Strömung und immer Wind, am Morgen von hier, am Nachmittag von dort.
Ich glaubte zuerst, er meinte nichts anderes als das Einsetzen von Ebbe und Flut. Später jedoch erfuhr ich, daß es sich um den starken Ausfluß des mächtigen Stromes Orinoko handelte -in dessen Mündung unsere Insel lag, und daß das Land, das ich im Westen und Nordwesten gesichtet halte, die große, nördlich von der Strommündung gelegene Insel Trinidad war. Ich fragte Freitag tausenderlei über das Land, die Bewohner, die See, die Küste und was für Völker dort in der Nachbarschaft hausten. Er sagte mir alles, was er wußte, mit der allergrößten Offenheit. Ich fragte ihn nach den Namen der verschiedenen Völker und Menschenarten, aber konnte nichts anderes aus ihm herausbringen als das Wort «Kribs», woraus ich leicht entnahm, daß er Kariben meinte, die nach unseren Landkarten von der Mündung des Orinoko bis Guinea und weiter bis St. Martha leben. Er erzählte mir, daß weit über den Mond hinaus, womit er wohl den Monduntergang im Westen seines Landes meinte, weiße bärtige
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