Robinson Crusoe
schrieb ich meinem alten Freund in Lissabon und bekam zur Antwort, daß er dazu
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leicht Rat schaffen könnte; er hielt es für gut, die Plantage in meinem Namen den beiden Söhnen meiner verstorbenen Mitverweser anzubieten, die ja in Brasilien lebten und den genauen Wert der Pflanzung kannten und von denen er wußte, daß sie sehr reich wären; auf diese Weise würde ich sicherlich vier- bis fünftausend Taler mehr herausschlagen. Ich war damit einverstanden, bat ihn, an sie zu schreiben, und bekam nach etwa acht Monaten bei der Rückkehr der Flotte die Nachricht, sie hätten dem Angebot zugestimmt und einem ihrer Agenten in Lissabon 33000 Speziestaler dafür überwiesen.
Ich unterschrieb den mir von Lissabon übersandten Kauf vertrag und ließ mir das Geld durch meinen Alten in Wechseln nach London anweisen.
Und so habe ich nun den ersten Teil eines an Schicksalen und Abenteuern reichen Lebens erzählt, eines Lebens, so buntfarbig von der Vorsehung gewoben und so wechselvoll, daß wohl selten auf Erden seinesgleichen zu finden ist: töricht zu Beginn, aber zum Schluß glücklicher, als ich jemals hätte auch nur hoffen dürfen.
Jedermann würde meinen, daß ich nun, da das Schicksal auf so mannigfache Weise alles so gut geführt hatte, nie mehr daran gedacht hätte, mich neuen Gefahren auszusetzen. Und so wäre es auch wirklich gewesen, wenn nicht gewisse andere Dinge mitgesprochen hätten. Aber ich war nun einmal an ein schweifendes Leben gewöhnt, hatte keine Familie, nur wenige Verwandte, und Bekanntschaften hatte ich, so reich ich war, nicht viele gemacht; und obwohl ich meine Besitzung in Brasilien verkauft hatte, kam mir
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doch dieses Land nicht aus dem Sinn, und ich hatte große Lust, wieder in die weite Welt zu fahren. Vor allem konnte ich das lebhafte Verlangen nicht loswerden, meine Insel wiederzusehen und
festzustellen, ob die armen Spanier noch dort wären und wie die Schurken, die ich dort zurückgelassen, sich gegen sie verhalten hätten.
Meine treue Freundin, die Witwe, riet mir dringend davon ab, und es gelang ihr auch wirklich, mich immerhin fast sieben Jahre lang vom Davonlaufen abzuhalten. Während dieser Zeit nahm ich meine zwei Neffen, die Söhne eines meiner Brüder, in meine Obhut. Den einen erzog ich zum Landwirt und setzte ihm für den Fall meines Todes als Zugabe zu seinem Gut eine Rente aus; den anderen gab ich einem Kapitän auf ein Schiff, und nach fünf Jahren setzte ich ihn, da er sich als verständiger, kühner,
unternehmender junger Bursch erwiesen hatte, auf ein gutes Schiff und schickte ihn auf See. Und dieser junge Bursch überredete hernach mich selber, so alt ich war, zu weiteren Abenteuern.
Mittlerweile wurde ich hier einigermaßen seßhaft.
Vor allem heiratete ich, was mir weder Schaden noch Leid brachte, und hatte drei Kinder, zwei Söhne und eine Tochter. Als jedoch meine Frau starb und mein Neffe von einer sehr erfolgreichen Reise nach Spanien heimkam, gewannen meine Neigung, wieder in die Welt zu fahren, und sein Zureden die Oberhand und bewogen mich, auf seinem Schiff als Privathändler nach Ostindien zu fahren. Das war im Jahre 1694.
Auf dieser Reise besuchte ich meine neue Kolonie auf der Insel, sah meine Nachfolger, die Spanier, und
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erfuhr von ihnen alles, was mit ihnen und den Schurken, die ich dort gelassen hatte, geschehen war: wie diese Kerle anfangs die armen Spanier übel behandelt hatten, wie sie dann sich geeinigt und wieder veruneinigt, sich zusammengetan und wieder getrennt hatten und wie schließlich die Spanier genötigt worden waren, mit Gewalt gegen sie vorzugehen, und sie unterworfen hatten und wie anständig die Spanier danach mit ihnen umgegangen waren: eine Geschichte, wenn man näher darauf einginge, so voll bunter und wunderbarer
Geschehnisse wie meine eigene. Insbesondere erzählten sie mir viel von ihren Kämpfen mit den Kariben, die mehrmals auf der Insel landeten, und wie fünf von ihnen selber einen Vorstoß auf das Festland gemacht und elf Männer und fünf Weiber als Gefangene heimgebracht hatten, von denen ich bei meiner Ankunft an zwanzig kleine Kinder vorfand.
Hier blieb ich etwa zwanzig Tage und hinterließ ihnen eine Menge notwendiger Dinge, insbesondere Waffen, Pulver und Blei, Kleidungsstücke und Werkzeuge sowie zwei Handwerker, die ich von England mitgebracht hatte, einen Tischler und einen Schmied.
Außerdem teilte ich die Insel unter sie auf und gab jedem einen seinen Wünschen entsprechenden
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