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Robinson Crusoe

Robinson Crusoe

Titel: Robinson Crusoe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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gewesen, den man sich unter den Seeleuten gewöhnlichen Schlages nur denken kann, ohne den geringsten Sinn für Gottesfurcht in Gefahr, noch für Dankbarkeit gegen Gott bei der Errettung. Das wird man mir noch leichter glauben, wenn ich zu dem bereits
    geschilderten Teil meiner Geschichte hinzufüge, daß mir bei all dem mannigfachen Unglück, das mich bis zu diesem Tage betroffen hatte, nie auch nur im mindesten in den Sinn kam, daß es die Hand Gottes sei oder die gerechte Strafe für meine Sünde, für mein rebellisches Betragen gegen meinen Vater oder für meine gegenwärtigen Sünden, die groß waren, oder auch eine Strafe für den ganzen Verlauf meines gottlosen Lebens. Als ich auf der verzweifelten Fahrt an der afrikanischen Küste war, dachte ich mit keinem
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    Gedanken daran, Gott zu bitten, mir einzugeben, wohin ich gehen solle, oder mich vor den Gefahren zu behüten, die mir von allen Seiten drohten, sei es durch reißende Tiere oder grausame Wilde. Nein, ich dachte überhaupt nicht an Gott oder eine Vorsehung und handelte nur nach dem Naturtrieb wie ein Tier und nach den Eingebungen des bloßen Verstandes, und auch das nicht mal immer.
    Als ich auf See von dem portugiesischen Kapitän errettet und an Bord genommen und so gerecht, ehrenvoll und edelmütig von ihm behandelt wurde, dachte ich nicht im mindesten an Dankbarkeit gegen Gott. Und wiederum, als ich schiffbrüchig, zugrunde gerichtet, dem Ertrinken nahe auf diese Insel kam, war ich weit davon entfernt, Reue zu empfinden oder es als ein Gericht des Himmels anzusehen, sondern sagte mir nur immer, ich sei einmal ein unseliger armer Hund und zu nichts als Unglück geboren.
    Als ich zuerst hier an die Küste kam und sah, daß meine ganze Schiffsmannschaft ertrunken und nur ich verschont geblieben war, da überkam mich zwar eine Art von Entzückung und Begeisterung der Seele, die mit Hilfe der Gnade Gottes sich zu wahrer Dankbarkeit hätte erheben können; aber es endete, wo es begann, in einem bloßen gewöhnlichen Freudenrausch.
    «Gottlob, daß ich noch lebe!» - ohne das geringste wirkliche Nachdenken über die Güte der Hand, die mich bewahrt und mich vor allem auserwählt hatte, gerettet zu werden, wo alle anderen vernichtet wurden, und ohne die geringste Frage danach, weshalb die Vorsehung so gnädig gegen mich gewesen war. Nein, es war dieselbe, ganz gewöhnliche Art von
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    Freude, wie alle Seeleule sie empfinden, wenn sie aus einem Schiffbruch heil an Land gekommen sind: schon in der nächsten Punschbowle wird sie ersäuft, und alles in vergessen, sobald es vorüber ist. Und dieser An war auch mein ganzes weiteres Leben.
    Selbst als mir hernach in gehöriger Bestimmung mein Zustand so recht zu Bewußtsein kam: wie ich an diesen schrecklichen Ort verschlagen sei, unerreichbar weit von allen Menschen, ohne alle Hoffnung auf Befreiung oder Aussicht auf Erlösung - selbst da verlor sich das Gefühl von meiner Not, sobald sich die Aussicht eröffnete, daß ich am Leben bleiben könnte und nicht Hungers zu sterben brauchte, und ich begann mich ganz beruhigt zu fühlen, machte mich an die Arbeiten, die zu meiner Sicherheit und Ernährung nötig waren, und war weit davon entfernt, meine Lage als eine Strafe des Himmels und als ein Walten Gottes wider mich zu betrachten; solche Gedanken kamen mir nur sehr selten in den Sinn.
    Das Aufsprießen der Gerstenkörner machte anfangs, wie in meinem Tagebuch erwähnt, einigen Eindruck auf mich und begann ernste Gedanken in mir zu erwecken, solange ich glaubte, ein Wunder darin erkennen zu müssen; aber kaum hatte sich das vermeintliche Wunder aufgeklärt, so schwand auch, wie bereits erzählt, diese seine Wirkung auf mich.
    Selbst das Erdbeben, obschon doch nichts
    schrecklicher sein oder unmittelbarer hindeuten konnte auf die unsichtbare Macht, die allein solche Dinge lenkt - selbst der Eindruck, den das Erdbeben auf mich gemacht hatte, verging, sobald der erste Schrecken vorüber war. Der Gedanke an Gott und sein
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    Gericht und daran, daß meine gegenwärtige Not aus seiner Hand kommen könnte, kann mir ebensowenig, als wenn ich in der glücklichsten Lage von der Welt gewesen wäre.
    Aber jetzt, als ich anfing, krank zu werden, und untätig in die Trübsal des Todes schaute, die sich vor mir auftat, da meine Lebensgeister unter der Last der schweren Krankheit sanken und die Natur durch die Gewalt des Fiebers ermattet war, jetzt begann mein Gewissen, das» lange geschlafen hatte, zu erwachen,

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