Robinson Crusoe
Dennoch machten die Worte tiefen Eindruck auf mich, und ich dachte sehr oft darüber nach.
So wurde es spät, und der Tabak hatte mich so benebelt, daß ich schlafen wollte. Ich ließ meine Lampe in der Höhle brennen, falls ich des Nachts etwas brauchte, und ging zu Bett. Aber bevor ich mich niederlegte, tat ich, was ich noch nie in meinem ganzen Leben getan hatte: Ich kniete nieder und betete zu Gott um Erfüllung seines Versprechens, daß er mich erlösen wolle, wenn ich ihn in der Not anriefe.
Nachdem ich mein gebrochenes und verstümmeltes Gebet vollendet, trank ich den Rum, in den ich den Tabak getaucht hatte, wovon er so streng und stark war, daß ich ihn kaum hinunterwürgen konnte. Ich ging dann gleich zu Bett und fühlte augenblicklich, daß der Rum mir gewaltig zu Kopf stieg; aber ich fiel in einen liefen Schlaf und erwachte erst gegen drei Uhr nachmittag am nächsten Tage; nein, heute bin ich sogar der Ansicht, daß ich auch den ganzen nächsten Tag und die Nacht bis drei Uhr am übernächsten Tag schlief; denn sonst wüßte ich nicht, wie ich einen Tag in der Woche verloren haben sollte, was sich in der Tat nach Jahren herausstellte.
Denn wenn ich ihn infolge der Hin- und Herfahrt durch den Äquator verloren hätte, so hätte ich ja mehr als einen Tag verloren. Aber jedenfalls verlor ich einen Tag bei meiner Rechnung und weiß bis heute nicht wie.
Sei es nun so oder so, als ich erwachte, fühlte ich mich außerordentlich erfrischt und mein Gemüt lebhaft und freudig. Als ich aufstand, war ich wohler
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als tags zuvor und mein Magen besser; denn ich spürte Hunger. Kurz, ich hatte am nächsten Tage kein Fieber mehr und fühlte, daß es weiter der Besserung zuging. Dies war der 29Juni. Der 30. Juni war ein guter Jagdtag für mich; ich ging mit dem Gewehr, und zwar nur in die Nähe. Ich tötete ein paar Seevögel, eine Art Wildgänse. Ich brachte sie heim; aber es lockte mich nicht sehr, sie zu essen. So verspeiste ich wieder einige Schildkröteneier, die sehr gut waren. Am Abend erneuerte ich die Arznei, der ich die gute Wirkung von gestern zuschrieb, nämlich Tabak, in Rum getränkt; nur nahm ich nicht soviel wie zuvor, kaute kein Blatt und hielt meinen Kopf nicht über den Rauch. Indessen fühlte ich mich am folgenden Tage, der der 1. Juli war, nicht so gut, wie ich gehofft hatte; denn ich hatte einen kurzen Schüttelfrost; aber es war nicht schlimm.
2. Juli. Ich erneuerte die Medizin auf alle drei Arten, betäubte mich erst damit und trank dann die doppelte Menge.
3. Juli. Die Anfälle verloren sich ganz, obgleich ich meine vollen Kräfte erst nach einigen Wochen wiedererlangte. Während ich neue Kräfte sammelte, bewegten meine Gedanken sich hauptsächlich um die Bibelstelle «Ich will dich erretten!», und es lag mir schwer auf der Seele, daß ich mir gar nicht vorstellen konnte, auf welche Weise ich jemals errettet werden sollte. Aber während ich mich noch mit solchen mutlosen Gedanken quälte, fiel mir plötzlich ein, daß ich ja immerfort nur den Blick auf die Errettung aus meiner Hauptnot gerichtet hielt und darüber ganz die Errettung vergaß, die mir soeben zuteil geworden war,
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und ich fühlte mich nun gleichsam dazu hingestoßen, mich selber zu fragen: «Bin ich nicht eben erst, und zwar wie durch ein Wunder, aus meiner Krankheit errettet worden, aus der trostlosesten Lage, die sich denken läßt und die mich so sehr ängstigte? Und hatte ich dessen geachtet? Hatte ich mein Teil getan? Gott halle mich errettet; aber ich halte ihn nicht gepriesen; nämlich, ich hatte das nicht als eine Errettung anerkannt und nicht dafür gedankt, und wie konnte ich denn da eine noch größere Errettung erwarten? »
Dies berührte mein Herz so sehr, daß ich niederkniete und Gott laut dankte für die Genesung von meiner Krankheit.
4. Juli. Am Morgen griff ich wieder nach der Bibel und begann mit dem Neuen Testament. Ich machte mich ernstlich daran, es zu lesen, und zwar nahm ich mir vor, jeden Morgen und jeden Abend eine Weile zu lesen, ohne mich an die Kapitelzahlen zu binden, just so lange, wie meine Gedanken dabeibleiben wollten.
Nicht lange, nachdem ich mich ernstlich an dieses fromme Werk gemacht hatte, fühlte ich mein Herz tief und ernstlich erschüttert von der Schlechtigkeit meines vergangenen Lebens. Mein Traum stand mir wieder vor Augen, und die Worte «Alle diese Dinge haben dich nicht zur Reue gebracht» brannten mir auf der Seele. Ich flehte Gott inbrünstig an, mir Reue zu
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