Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
verwundet sei. Jedenfalls glaubte er, ich wolle ihn töten, denn er kam herbei, kniete nieder, umfaßte meine Kniee und sagte Allerlei, von dem ich nur so viel verstand, daß er damit um Schonung seines Lebens flehen wolle.
Ich machte ihm bald begreiflich, daß ich ihm Nichts zu Leide tun werde, ergriff ihn bei der Hand, zeigte, indem ich ihn auslachte, auf das getötete Lamm und winkte ihm, dasselbe zu holen. Während er noch verwundert dasselbe betrachtete, um zu wissen, wie das Tier erlegt war, lud ich aufs Neue mein Gewehr. In diesem Augenblick bemerkte ich einen habichtartigen Vogel, der in Schußweite auf einem Baume saß. Um Freitag einigermaßen begreiflich zu machen, was ich beabsichtigte, rief ich ihn wieder zu mir, zeigte auf den Vogel (es war ein Papagei) und dann wieder auf meine Flinte und auf die Erde unter dem Vogel, damit er sähe, wohin jener fallen solle. Dann gab ich Feuer und befahl ihm, dahin zu blicken, wo der getötete Papagei lag. Trotz alledem stand Freitag aufs Neue ganz erschrocken da. Er schien um so mehr erstaunt, als er nicht gesehen, daß ich Etwas in das Gewehr getan hatte. Daher wähnte er, ich besäße irgend ein geheimes Mittel der Vernichtung, womit man Menschen und Tiere in Nähe und Ferne töten könne. Hätte ich es zugelassen, ich glaube, er würde mich und meine Flinte angebetet haben. Mehre Tage hindurch wagte er nicht, das Gewehr anzurühren, aber wenn er allein war, redete er es an und schwatzte mit ihm, als ob es ihm geantwortet habe. Später erfuhr ich von ihm, daß er es gebeten habe, ihn nicht zu töten.
Nachdem bei jener Gelegenheit sein Erstaunen sich einigermaßen gelegt hatte, hieß ich ihn den geschossenen Vogel herbeiholen. Er zögerte etwas, denn der Papagei war anfangs nicht ganz tot gewesen und noch eine Strecke weit geflattert. Endlich brachte er ihn herbei, und jetzt lud ich, während er sich entfernt hatte, wiederum meine Flinte, um bei seiner Wiederkunft schußfertig zu sein. Da sich aber kein Tier für meinen Schuß zeigte, brachte ich das Lamm heim, zog ihm noch denselben Abend das Fell ab, zerlegte es, so gut es ging, und kochte, da ich jetzt ein geeignetes Gefäß befaß, darin etwas von dem Fleisch, bereitete auch davon sehr gute Bouillon. Nachdem ich selbst davon genossen, gab ich meinem Wilden auch von dem Fleisch zu essen, und es schien ihm sehr gut zu munden. Was ihn am meisten befremdete, war, daß er es mich mit Salz essen sah. Er gab mir zu verstehen, daß Salz nicht gut schmecke, steckte ein wenig davon in den Mund, schien dabei Ekel zu empfinden, spie es wieder aus und spülte sich danach den Mund mit frischem Wasser. Hierauf nahm ich meinerseits etwas Fleisch ohne Salz in den Mund und stellte mich gleichfalls, als ob ich es wieder ausspeien müßte, gerade weil es nicht gesalzen sei. Aber das half Nichts. Lange Zeit wollte er sich nicht dazu verstehen, Fleisch oder Bouillon mit Salz zu genießen, und auch später nahm er immer nur ein wenig von diesem Gewürz dazu.
Den nächsten Tag gab ich Freitag dann ein Stück geröstetes Fleisch von dem Lamm zu essen. Ich hatte das Rösten bewerkstelligt, wie ich es öfters von Leuten in England hatte tun sehen. Nachdem ich nämlich zwei Stäbe zu beiden Seiten des Feuers in den Boden gesteckt, legte ich einen dritten Stock darüber, hing an diesen das Fleisch mit einem Seil auf und ließ es sich daran fortwährend drehen. Freitag staunte dies Alles höchlich an. Als er von dem Fleisch genossen, drückte er auf die verschiedenste Weise sehr deutlich aus, wie gut es ihm behage, versicherte auch endlich, er wolle nie mehr Menschenfleisch essen, was ich mit Vergnügen hörte.
Am folgenden Tag ließ ich Freitag Gerste auskörnen und sie in der früher beschriebenen Weise reinigen. Bald verstand er es so gut wie ich selbst, besonders nachdem er begriffen hatte, daß es zu Brot bestimmt sei. Denn auch dieses zu bereiten hatte ich ihn gelehrt, und bald besaß Freitag in allen diesen Dingen gleiche Fertigkeit wie ich.
Ich überlegte nun, daß ich, da ich jetzt für zwei Magen statt für einen zu sorgen habe, auch ein größeres Stück Feld besäen müsse als früher. Daher begann ich ein weiteres Stück Land einzuzäunen, wobei mir Freitag sehr willig und ausdauernd half, nachdem ich ihm gesagt, daß es geschehe, um Brot genug für ihn und mich selbst zu bekommen. Er schien sehr erkenntlich dafür zu sein und gab mir zu verstehen, daß, da ich um seinetwillen viel mehr Mühe habe, er auch um so eifriger
Weitere Kostenlose Bücher