Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
für mich arbeiten wolle, wenn ich ihm nur angeben wolle, was zu tun sei.
17. Erkundigungen
D as jetzt folgende Jahr war das angenehmste unter allen, die ich auf der Insel zugebracht habe. Freitag fing an, ganz gut sprechen zu lernen und verstand die Namen fast aller Gegenstände und aller Orte, nach denen ich ihn schickte. Er schwatzte ohne Unterlaß mit mir, und ich gebrauchte jetzt meine Zunge wieder sehr eifrig, nachdem ich so lange keine Gelegenheit sie zu benutzen gehabt hatte. Außer dem Vergnügen, mich mit ihm zu unterhalten, machte mir mein Gefährte auch in anderer Hinsicht viel Freude. Die einfache, unverstellte Redlichkeit seiner Seele offenbarte sich mir jeden Tag mehr, und ich begann, ihn von Herzen lieb zu gewinnen. Andrerseits faßte auch er eine solche Liebe zu mir, wie er sie früher wohl für kein anderes Wesen gefühlt haben mochte.
Einmal gelüstete es mich zu versuchen, ob er wohl ein starkes Verlangen nach der Rückkehr in seine Heimat habe. Da er jetzt genug Englisch verstand, um fast auf alle meine Fragen antworten zu können, fragte ich ihn, ob das Volk, zu dem er gehöre, nie eine Schlacht gewonnen habe. Lächelnd erwiderte er. »Ja, ja, wir immer fechten das Beste«, womit er sagen wollte, daß sein Volk immer siegreich kämpfe. Hierauf hatten wir folgendes Gespräch: »Wenn Ihr«, sagte ich, »immer das Beste fechtet, wie kommt es dann, Freitag, daß du gefangen genommen wurdest?«
Freitag: »Mein Volk trotzdem schlägt das Meiste«.
Ich: »Wie so schlagen? Wenn dein Volk sie schlägt, wie konntest du gefangen werden?«
Freitag: »Sie viel mehr waren als wir; sie eins, zwei, drei und mich gefangen haben. Mein Volk sie auch geschlagen haben, aber auf Platz, wo ich nicht war. Dort mein Volk gefangen haben eins, zwei, ein großes Tausend«.
Ich: »Aber weshalb haben die Deinigen dich nicht aus der Hand der Feinde befreit?«
Freitag: »Sie mit eins, zwei, drei und mir fortlaufen und in Canoe bringen. Mein Volk damals nicht hatten Canoe«.
Ich: »Nun, und was macht dein Volk mit den Gefangenen? Bringt es sie auch fort und frißt sie, wie Jene tun?«
Freitag: »Mein Volk ißt Mensch auch. Ißt sie Alle auf«.
Ich: »Wohin bringt Ihr sie denn?«
Freitag: »An anderen Ort, wohin man will«.
Ich: »Kommt Ihr auch hierher?«
Freitag: »Ja, ja, hierher, auch an anderen Platze«.
Ich: »Bist du denn auch schon mit hier gewesen?«
Freitag: »Ja, auch hier gewesen bin«. (Hierbei zeigte er nach der Nordwestseite der Insel, wo der gewöhnliche Landungsplatz seiner Landsleute zu sein schien.)
Hierdurch hatte ich also erfahren, daß Freitag unter jenen Wilden gewesen war, die früher auf den entfernteren Inselteil zu kommen pflegten, und daß ihn ehedem ganz dieselbe Veranlassung, um derentwillen er selbst hierher gebracht war, dahin geführt hatte. Einige Zeit darauf, als ich Mut genug fühlte, mit ihm an jene Stelle zu gehen, erkannte er sie sofort wieder. Wie er mir sagte, war er einmal dort gewesen, als er und seine Leute zwanzig Männer, zwei Weiber und ein Kind verzehrt hatten. Die Zahl zwanzig verdeutlichte er mir, da er sie auf Englisch nicht aussprechen konnte, indem er die entsprechende Anzahl Steine in einer Reihe auf die Erde legte und mich aufforderte, sie zu zählen.
Das obige Gespräch habe ich hauptsächlich deshalb angeführt, weil es die Einleitung zu der folgenden Mitteilung Freitags abgab.
Nachdem ich ihn gefragt hatte, wie weit sein Land von unserer Insel sei und ob die Canoes nicht oft untergingen, erwiderte er, es sei keine Gefahr dabei, und nie sei eins verloren gegangen. Denn wenn man ein wenig nach der See hinkomme, so finde sich da eine Strömung, die sich Morgens immer in einer anderen Richtung als des Nachmittags bewege. Damals glaubte ich, dies beziehe sich nur auf den Wechsel von Ebbe und Flut, später aber erfuhr ich, daß es von der Gewalt des Stromwechsels in dem mächtigen Orinokoflusse herrühre, in dessen Golf oder Mündung, wie mir nachmals bekannt wurde, unsre Insel lag. Jenes Land, das ich im Westen und Nordwesten bemerkt hatte, war nämlich die große Insel Trinidad, die nördlich vom Ausfluß des genannten Stromes liegt. Ich richtete von jetzt ab an Freitag tausenderlei Fragen über das Land, die Einwohner, die See, die Küsten und die benachbarten Nationen, und er sagte mir mit der größten Aufrichtigkeit Alles, was er darüber wußte. Durch meine Fragen nach den Namen der Nationen seines Stammes brachte ich jedoch nur den Namen »Caribs«
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