Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
geringen Zahl unmöglich.
Die Ansicht des Kapitäns erschien mir bei einigem Nachdenken nur zu wohl begründet. Jedenfalls aber mußte ein rascher Entschluß gefaßt werden, sowohl um die Schiffsleute in eine Schlinge zu locken, als sie von einer Landung abzuhalten, die unsere Vernichtung nach sich gezogen haben würde. Ich bedachte, daß die Schiffsmannschaft sicherlich, um nachzusehen, was aus ihren Kameraden und dem Boot geworden sei, binnen Kurzem in ihrem anderen Boot zur Insel kommen, vielleicht Waffen mitbringen und uns dann überlegen sein würde. Deshalb schlug ich als erste Maßregel vor, das Boot, welches auf dem Sande lag, seeuntüchtig zu machen. Wir begaben uns sofort an Bord desselben und nahmen die Waffen und was sich sonst an Gegenständen darin befand, heraus. Zu den letzteren gehörte eine Flasche Branntwein, eine andere mit Rum, etwas Schiffszwieback, ein Pulverhorn und ein großes, fünf bis sechs Pfund schweres Stück Zucker in Segeltuch eingewickelt. Alles dies war mir sehr willkommen, besonders aber der Branntwein und Zucker, die ich seit vielen Jahren entbehrt hatte.
Als diese Dinge an Land gebracht waren (die Ruder, der Mast, das Segel und das Steuerruder hatten wir bereits vorher weggeschafft), bohrten wir ein großes Loch in den Boden des Fahrzeugs, so daß dieses keinesfalls weggebracht werden konnte, wenn auch die Schiffsleute in noch so großer Anzahl kommen sollten. Auf die Wiedergewinnung des Schiffes rechnete ich jetzt kaum noch. Dagegen hoffte ich, das Boot würde, wenn es jene Leute zurückgelassen hätten, sich leicht wieder so weit herstellen lassen, daß wir darin nach den Lewardsinseln gelangen und unterwegs die Spanier, die ich nicht vergessen hatte, aufnehmen könnten.
Während wir noch über unsern Operationsplan berieten und mit großer Anstrengung das Boot so weit an den Strand gezogen hatten, daß es die Flut nicht sollte mitführen können, und nachdem das Loch in demselben so groß gemacht war, daß der Leck so leicht nicht gestopft werden konnte, hörten wir plötzlich von dem Schiff einen Schuß und bemerkten, daß das Boot durch allerlei Signale dorthin zurückgerufen werden sollte. Wiederholtes Feuern und Signalisieren blieb jedoch fruchtlos. Jetzt sah ich mit Hilfe meines Fernglases, daß die Mannschaft ein anderes Boot aussetzte und es durch einige Leute nach der Insel hinrudern ließ. Bei seinem Herankommen erkannten wir, daß sich nicht weniger als zehn Mann darin befanden, welche sämmtlich Feuerwaffen bei sich führten.
Da das Schiff fast zwei Meilen vom Lande entfernt lag, hatten wir Zeit genug, unsere Beobachtungen zu machen und sogar die Gesichter der Männer im Boot zu erkennen. Denn da die Wellen sie etwas östlich von der Stelle, wo das früher gelandete Boot lag, abgetrieben hatten, und sie daher eine Strecke der Küste entlang steuerten, um an demselben Punkte wie jenes an Land zu kommen, konnten wir die Mannschaft genau beobachten. Der Kapitän kannte die Charakterbeschaffenheit der sämmtlichen Leute im Boot. Drei von ihnen, sagte er, seien sehr wackere Leute, die nach seiner Überzeugung nur durch Gewalt und Furcht von den Übrigen in die Verschwörung gezogen worden seien. »Der Bootsmann aber«, setzte er hinzu, »welcher das Kommando zu haben scheint, und alle Übrigen, außer jenen Dreien, gehören zu den Schlimmsten unter dem ganzen Schiffsvolk und werden ohne Zweifel in ihrer Desperation Alles wagen.«
Ich lächelte hierüber und erwiderte, Menschen in unserer Lage sollten über die Furcht hinaus sein. Jede denkbare Situation sei besser als die unsrige, und was auch erfolge, Leben oder Tod, würde sicherlich für uns eine Befreiung mit sich führen. Ich fragte, ob er, nachdem er den Bericht über meine Lebensumstände vernommen, nicht glaube, daß es sich für mich verlohne, an eine Erlösung aus meiner Lage Alles zu setzen. »Wohin ist Euer Glaube gekommen«, fuhr ich fort, »der Euch vor Kurzem noch so erhob, daß ich erhalten sei, um Euch zu erretten? Meines Bedünkens ist es nur ein einziger Umstand in unserer Situation, der mißlich zu sein scheint.«
»Was meint Ihr damit?« fragte er.
»Nichts Anderes, als daß, wie Ihr sagt, einige brave Jungens unter den Leuten sind, die gerettet zu werden verdienen. Wäre die ganze Sippe niederträchtig, so würde ich glauben, Gott habe sie von den Übrigen nur deshalb abgesondert, um sie in unsere Hände zu liefern. Denn verlaßt Euch darauf, jeder Mensch, der an diesen Strand kommt, steht in
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