Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
unserer Gewalt und soll leben oder sterben, je nachdem er sich gegen uns benimmt.« Diese mit heiterer Miene gesprochenen Worte ermutigten den Kapitän bedeutend, und so machten wir uns denn getrost an unsere Aufgabe.
Sobald das vom Schiff ausgesandte Boot uns zuerst in Sicht gekommen war, hatten wir Sorge getragen, die Gefangenen zu trennen. Zwei davon, denen der Kapitän weniger als den Übrigen traute, wurden unter der Führung Freitags und eines der drei von uns befreiten Männer in meine Höhle entsendet, wo sie entfernt genug waren, um nicht gehört oder entdeckt werden zu können. Aus dieser hätten sie sich, auch selbst wenn sie ihrer Fesseln ledig geworden wären, nicht durch das Gehölz finden können. Dort wurden sie mit Lebensmitteln versehen und in Banden zurückgelassen, nachdem ihnen angekündigt war, daß sie, wenn sie sich ganz ruhig verhielten, nach einigen Tagen die Freiheit erhalten sollten, daß sie aber bei dem geringsten Fluchtversuch gnadelos dem Tod verfallen würden. Sie versprachen, ihre Gefangenschaft geduldig zu ertragen und zeigten sich dankbar für die gute Behandlung, die man ihnen dadurch widerfahren lasse, daß man ihnen Lebensmittel und Licht gewährt habe. Freitag hatte ihnen nämlich einige von unsern selbstverfertigten Kerzen zurückgelassen und sie dann glauben gemacht, daß er als Schildwache vor dem Eingang der Grotte zurückbleibe.
Die übrigen Gefangenen wurden noch besser behandelt. Zwei blieben jedoch gebunden, weil auch ihnen der Kapitän nicht völlig traute. Die anderen beiden wurden unter meinen Befehl gestellt, nachdem sie feierlich gelobt hatten, mit uns zu leben und zu sterben. Wir waren jetzt mit ihnen und den drei braven Leuten zusammen sieben gut bewaffnete Männer, und ich zweifelte nicht, daß wir mit den zehn Ankömmlingen ganz leicht fertig werden würden, besonders da der Kapitän versichert hatte, es seien mehre ehrenwerte Leute unter ihnen.
Sobald die Fremden zu der Stelle gekommen waren, wo ihr anderes Boot lag, ließen sie das ihrige an den Strand auflaufen, sprangen ans Land und zogen ihr Fahrzeug hinter sich her. Mir war das ganz erwünscht, denn ich hatte schon gefürchtet, sie würden ihr Boot in einiger Entfernung von der Küste vor Anker legen und Wache darin zurücklassen, so daß wir uns desselben nicht bemächtigen könnten. Kaum gelandet, eilten Jene zu ihrem anderen Boot und sahen mit großem Erstaunen, daß es gänzlich ausgeplündert und mit einem großen Leck durchbohrt war.
Nachdem die Neuangekommenen eine Weile über die Ursache dieser Beschädigung nachgesonnen hatten, ließen sie aus Leibeskräften mehre Male ein brüllendes Halloh erschallen, um von ihren Gefährten gehört zu werden. Es blieb jedoch vergeblich. Hierauf bildeten sie einen Kreis und feuerten aus ihrem Kleingewehr eine solche Salve ab, daß die Wälder rings umher ein lautes Echo vernehmen ließen. Auch dies fruchtete Nichts. Die in der Höhle eingeschlossenen Gefangenen hörten das Schießen nicht, und die bei uns Befindlichen vernahmen es zwar recht gut, durften aber keine Antwort geben.
Hierüber waren die Schiffsleute so erstaunt und befremdet, daß sie, wie wir später erfuhren, beschlossen, sofort nach dem Schiffe zurückzukehren und die Nachricht dahin zu bringen, die Mannschaft sei ermordet und das Langboot seeuntüchtig gemacht. Dem gemäß brachten sie das Fahrzeug, in dem sie gekommen waren, alsbald wieder in See und begaben sich an Bord desselben.
Hierüber aber erschrak der Kapitän aufs Äußerste; er glaubte nämlich, die Schiffsmannschaft würde nach der Rückkehr der Abgesandten ihre Kameraden verloren geben und wieder in See gehen, so daß er das Schiff, das er wieder zu erlangen gehofft, unfehlbar verlieren werde. Bald aber sollte er durch ein anderes Ereignis noch mehr in Furcht gesetzt werden.
Die Leute waren noch nicht lange mit dem Boot abgestoßen, als wir sie ans Land zurückkehren sahen, offenbar gewillt, etwas Anderes zu unternehmen. Sie hatten, wie es schien, nach gepflogener Beratung beschlossen, daß drei Mann in dem Boot zurückbleiben, die Übrigen aber auf die Insel zurückkehren und nach ihren Gefährten suchen sollten. Dies gab der Sache für uns eine sehr unangenehme Wendung, und wir wußten im Augenblick nicht, was wir beginnen sollten. Denn wenn wir uns auch jener sieben Mann, die sich am Lande befanden, bemächtigten, so half das nicht viel, wenn wir das Boot entrinnen ließen. Die darin Befindlichen nämlich wären dann
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