Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
befanden, gebrach, und ich auch leider nicht genau die Lage jener Inseln kannte, war ich im Zweifel über die Richtung, die ich nach ihnen einzuschlagen hätte. Außerdem wäre es eine Leichtigkeit gewesen, sie zu erreichen.
Ich hatte meine Hoffnung darauf gesetzt, daß mir, wenn ich mich immer längs der Küste hielte, bis ich in die Region käme, wo die Engländer ihren Handel trieben, eins von ihren Schiffen aufstoßen und uns aufnehmen werde. Soviel ich nach meiner Berechnung herausgebracht, mußte ich damals in der Gegend sein, die zwischen dem Kaiserreich Marokko und den Negerstaaten liegt und wo die Küste nur von Bestien bewohnt ist. Die Neger haben diesen Landstrich verlassen und sich aus Furcht vor den Mohren nach Süden zurückgezogen, während die Mohren die Gegend wegen ihrer Unfruchtbarkeit nicht des Anbaus wert halten. Beide Völkerschaften haben auch deshalb jene Strecke aufgegeben, weil so erstaunlich viel Tiger, Löwen, Leoparden und andere wilde Tiere dort hausen. Die Mohren benutzen die Gegend daher nur zum Jagen, indem sie armeenweis zu zwei- bis dreitausend Mann dorthin ziehen. Beinahe hundert Meilen lang sahen wir an der Küste nur wüstes Land, bei Tage wie ausgestorben, des Nachts erfüllt vom Geheul und Gebrüll der Bestien.
Ein- oder zweimal glaubte ich den Pik von Teneriffa zu erblicken und hatte große Lust, nach ihm hin zu steuern; nach mehrmaligen vergeblichen Versuchen aber, durch widrigen Wind genötigt und auch weil die See für mein kleines Fahrzeug zu hoch ging, beschloß ich, nach meinem früheren Plane mich längs der Küste zu halten.
Mehrmals war ich genötigt, ans Land zu gehen, um frisches Wasser zu holen. Eines Tages warfen wir früh am Morgen unter einem ziemlich hoch gelegenen Küstenpunkt Anker. Die Flut begann und wir wollten sie abwarten, um mit ihr weiter zu gehen. Xury, der seine Augen flinker als ich überall hatte, rief mir leise zu, es sei besser, wenn wir von der Küste uns abwendeten, »denn«, sagte er, »dort liegt ein schreckliches Ungeheuer neben dem Hügel und schläft«.
Ich sah nach der angedeuteten Richtung und erblickte wirklich ein scheußliches Untier. Es war ein sehr großer Löwe, der am Ufer im Schatten eines Hügelvorsprungs lag. »Xury«, sagte ich, »du mußt ans Land und ihn abmucksen.« Xury schauderte und erwiderte: »Ich mucksen? Er mich essen auf einen Bissen.« Da ließ ich den Jungen sich still verhalten, nahm unsre größte Flinte, lud sie stark mit Pulver und mit zwei Kugeln und legte sie neben mich. In ein anderes Gewehr tat ich zwei Kugeln, in ein drittes (denn wir hatten drei) fünf Kugeln von kleinerem Kaliber. Beim ersten Schuß hielt ich der Bestie scharf nach dem Kopf, allein sie hatte die Tatze ein wenig über die Schnauze gelegt, so daß die Kugeln sie über dem Knie trafen und ihr nur den Gelenkknochen zerschmetterten. Der Löwe sprang auf, knurrte anfangs leise, fühlte aber sein Bein entzwei, sank nieder und stellte sich dann auf drei Beine, indem er das schrecklichste Gebrüll los ließ, das ich je vernommen. Ich war erschrocken, daß ich den Kopf verfehlt, griff aber sofort nach dem zweiten Gewehr und gab abermals Feuer; wiewohl der Feind ausreißen wollte, traf ich ihn diesmal doch in den Kopf und sah mit Vergnügen, wie er zusammenbrach und ohne großen Lärm seinen Todeskampf kämpfte. Jetzt bekam Xury Courage und wollte ans Land. »Gut«, sagte ich, »geh.« Darauf sprang er ins Wasser, nahm in die eine Hand eine kleine Flinte, schwamm mit der anderen ans Ufer, begab sich dicht an das Tier heran, hielt ihm das Gewehr nahe vor’s Ohr und machte ihm mit einem neuen Schuß durch den Kopf vollends den Garaus.
Dies Wildpret lieferte uns aber Nichts zu essen, und es tat mir leid, drei Schüsse an ein Tier verschwendet zu haben, mit dem wir Nichts anfangen konnten. Xury aber sagte, Etwas wolle er doch davontragen, und bat mich um das Beil. »Wozu, Xury?« fragte ich. »Kopf abhauen«, antwortete er. Jedoch gelang ihm das nicht, und er brachte nur eine ungeheure Tatze mit sich zurück.
Ich hatte unterdessen überlegt, daß uns vielleicht das Fell von einigem Wert sein könnte, und beschloß es abzuziehen. So machte ich mich denn mit Xury ans Werk; der Junge aber leistete dabei viel mehr als ich, denn ich verstand mich schlecht auf die Sache. Die Arbeit nahm einen ganzen Tag in Anspruch, bis wir zuletzt das Fell davontrugen. Wir spannten es über das Dach unserer Kajüte aus, wo es die Sonne rasch trocknete; dann benutzte
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