Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
begab mich ins Wasser. Als ich zu dem Schiff gelangt war, zeigte sich eine neue besonders große Schwierigkeit, in der Frage nämlich, wie ich an Bord gelangen sollte. Das auf dem Grunde aufliegende Fahrzeug ragte hoch aus dem Wasser, und ich konnte nirgends eine Handhabe finden, um mich daran in die Höhe zu heben. Erst nachdem ich es zweimal umschwommen, erspähete ich beim letzten Male ein kleines Tauende, das an dem Vorderteil so tief herunter hing, daß ich, wenn auch nur mit großer Mühe, es fassen und mit Hilfe desselben in den Vorderteil des Schiffes gelangen konnte.
Hier sah ich, daß das Schiff leck und schon eine große Masse Wasser eingedrungen war. Es lag auf der Seite einer Sandbank und das Hinterteil ragte hoch in die Luft. Das Vorderteil lag gänzlich im Wasser. Dennoch war das Deck frei und was sich auf diesem befand trocken. Wie man denken kann, untersuchte ich vor allen Dingen, was verdorben sei und was nicht. Zunächst fand ich, daß der sämmtliche Schiffsproviant trocken und vom Wasser verschont geblieben war. Da ich starken Appetit verspürte, eilte ich sofort nach dem Brotkasten, füllte mir die Taschen mit Zwieback und aß davon, während ich zugleich noch die anderen Sachen durchmusterte, da ich keine Zeit zu verlieren hatte. Auch etwas Rum fand ich in der großen Kajüte und trank davon einen gehörigen Schluck, was zur Ermunterung meiner Lebensgeister nötig genug war. Jetzt hätte ich vor allen Dingen ein Boot brauchen können, um mich mit mancherlei Dingen zu versehen, die mir voraussichtlich sehr nötig sein würden. Aber was hätte es geholfen, die Hände in den Schoß zu legen und Unerreichbares zu wünschen. Meine große Not spornte meinen Eifer an. Wir hatten an Bord einige Raaen und zwei oder drei dicke hölzerne Sparren, auch einige große Masten. Ich beschloß, dies Alles zu benutzen und warf davon so viel über Bord, als ich, der Schwere halber, bewältigen konnte, indem ich jeden Balken mit einem Seil befestigte, daß er nicht fortschwimmen konnte. Hierauf verließ ich das Schiff und zog die Hölzer an mich heran, band vier davon an beiden Enden, floßartig, möglichst fest zusammen und legte zwei bis drei Stücke quer darüber. Da ich bemerkte, daß ich zwar ganz gut auf den so verbundenen Hölzern herumgehen konnte, daß sie aber kein großes Gewicht zu tragen vermochten, machte ich mich an eine neue Arbeit. Ich sägte mit der Zimmermannssäge einen langen Topmast der Länge nach in drei Teile und brachte diese mit großer Mühe und Arbeit an meinem Floß an. Die Hoffnung, mich mit dem Notwendigsten zu versehen, feuerte mich an, so daß ich vollbrachte, was mir wohl bei keiner anderen Gelegenheit möglich gewesen wäre.
Das Floß war nun stark genug, um ein ansehnliches Gewicht aushalten zu können. Es fragte sich zunächst, womit ich es belasten und wie ich die Ladung vor dem Seewasser schützen solle. Zuerst beschloß ich alle Planken und Dielen, deren ich habhaft werden konnte, darauf zu legen. Nachdem dies geschehen, nahm ich, in richtiger Erwägung dessen, was ich am nötigsten brauchte, drei den Matrosen gehörige Kisten, brach sie auf und ließ sie, nachdem ich sie leer gemacht, auf das Floß herunter. In die erste tat ich Lebensmittel, nämlich Brot, Reis, drei holländische Käse, fünf Stücke Ziegenfleisch (das auf dem Schiff unsere Hauptkost ausgemacht hatte) und einen kleinen Rest europäischen Getreides, welches wir für Geflügel mitgenommen hatten, das unterwegs geschlachtet worden war. Es bestand aus Gerste mit Weizen untermischt, was aber, wie ich später mit großem Bedauern bemerkte, teils von den Ratten angefressen, teils durch die Länge der Zeit verdorben war. Auch einige Flaschen Liqueur entdeckte ich, die der Kapitän für sich bestimmt hatte, sowie fünf bis sechs Gallonen Arrak. Die letzteren Gegenstände stellte ich frei auf das Floß, da in den Kisten kein Raum mehr für sie war.
Inzwischen begann die Flut sehr allmählich zu steigen. Mit Betrübniß sah ich sie meinen Rock, mein Hemd und die Weste wegschwemmen, die ich am Ufer auf dem Sand zurückgelassen hatte, während ich meine leinenen, nur bis ans Knie reichenden Hosen, sowie die Strümpfe beim Schwimmen anbehalten hatte. Der Verlust jener Sachen veranlaßte mich, nach Kleidern umherzustöberu und ich fand deren auch in Menge. Doch nahm ich nur das für den Augenblick Nötigste, denn ich hatte mein Augenmerk noch mehr auf andere Dinge gerichtet, und zwar vor Allem auf Handwerkszeug, mit
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