Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
Wiesen und die Gegend fing an waldiger zu werden. Hier fand ich verschiedene Früchte, besonders eine Menge Melonen und Weintrauben. Die Reben rankten sich von Baum zu Baum, und die Beeren waren gerade in voller Reife. Diese überraschende Entdeckung erfreute mich sehr; doch warnte mich vor zu reichlichem Genuß die Erinnerung daran, daß während meines Aufenthalts an der Barbarenküste einige englische Sklaven in Folge übermäßigen Weintraubenessens an der Ruhr und dem Fieber gestorben waren. Gleichwohl machte ich mir die Trauben vortrefflich zu Nutze. Ich hob sie nämlich in der Sonne getrocknet als Rosinen auf, die mir für die Zeit, wenn es keine Trauben mehr geben würde, als eine angenehme Speise dienen sollten.
Da ich den ganzen Abend an jenem Platze verweilt hatte, konnte ich nicht mehr zu meiner Behausung zurückkehren. Zum ersten Mal schlief ich sozusagen außer dem Hause; das heißt ich erstieg wieder, wie in der ersten Nacht nach meiner Ankunft auf der Insel, einen Baum und ruhete dort vortrefflich. Am anderen Morgen setzte ich meinen Weg fort, und zwar nach meiner Berechnung etwa vier Meilen das Tal entlang, das sich zwischen zwei Hügelreihen nordwärts erstreckte. Am Ende meiner Wanderung kam ich zu einer Lichtung, von der aus die Gegend sich westlich auszudehnen schien. Ein frischer Quell, der seitwärts von mir an einer Anhöhe entsprang, nahm seinen Weg nach Osten hin. Die Landschaft bot einen üppig blühenden, saftgrünen Anblick und erschien wie ein wohlgepflegter Garten. Ich stieg ein wenig an der Seite dieses lieblichen Tals herab und überblickte es mit einer Art wehmütiger Freude in dem Gedanken, daß dies Alles mir gehöre, daß ich unbestreitbarer Herr und König dieses Landes sei und daß, wenn ich es in bewohnte Gegend versetzen könnte, es ein Erbe so groß, wie nur irgend ein Lord in England es besitzen mag, repräsentieren würde.
Rings umher standen Cocusnußbäume in Menge, auch Orangen-, Limonen- und Zitronenbäume, aber alle wild und gegenwärtig nur mit wenigen Früchten behangen. Indes schmeckten die grünen Limonen, die ich brach, nicht nur vortrefflich, sondern später verschaffte mir der Saft, den ich mit Wasser mischte, auch ein sehr gesundes kühles und labendes Getränke. Ich hatte nun alle Hände voll zu tun, um Früchte zu sammeln und heim zu bringen, da ich beabsichtigte, mir einen Vorrat von Trauben, Limonen und Zitronen für die Regenzeit, die ich nahe wußte, zu sammeln. Zu diesem Zweck häufte ich eine große Menge von Trauben auf, sammelte eine kleinere an einem anderen Platze und einen guten Teil Limonen in einem dritten Haufen. Einige der Früchte nahm ich sogleich mit nach Hause, den Rest gedachte ich in einem Beutel oder Sack später zu holen. Nach dreitägiger Entfernung zu meiner Wohnung zurückgelangt, fand ich, daß die Trauben, die ich bei mir trug, unterwegs verdorben waren; ihre eigne Schwere hatte die Beeren zerdrückt, während die wenigen Limonen, die ich mitgenommen, sich unversehrt erhalten hatten.
Am nächsten Tage, den 19., ging ich mit zwei kleinen Säcken versehen aus, um meine Ernte zu holen. Aber wie erstaunte ich, als ich zu meinen aufgehäuften Trauben, die, während ich sie gepflückt hatte, so voll und schön gewesen waren, kam, sie zerstreut, zerrissen, zertreten und zum Teil verzehrt fand. Ich schloß daraus, daß das Unheil von wilden, mir unbekannten Tieren angerichtet sei. Da ich somit die Unmöglichkeit einsah, die Trauben hier aufgehäuft liegen zu lassen, und da ich sie auch nicht in meinen Säcken mitnehmen konnte, weil sie in jenem Fall gefressen, in diesem verdorben sein würden, verfiel ich auf ein anderes Auskunftsmittel: nachdem ich nämlich eine große Menge Trauben gesammelt hatte, hing ich sie an Baumzweigen auf, um sie in Sicherheit von der Sonne trocknen zu lassen. Von den Zitronen und Limonen nahm ich dagegen so viel mit, als ich nur zu tragen vermochte.
Auf dem Heimweg betrachtete ich mit großer Freude die Fruchtbarkeit des Tals und die Lieblichkeit der Gegend, die auch vor Stürmen geschützt und mit Wasser und Holz reichlich versehen war. Jetzt machte ich mir Vorwürfe, daß ich meine Behausung thörichter Weise an einer Stelle angeschlagen hatte, die in bei weitem der ungünstigsten Gegend der Insel gelegen sei, und begann ernstlich an eine Wohnungsveränderung zu denken und mich nach einem Obdach, das gleiche Sicherheit wie mein jetziges biete, in diesem reizenden fruchtbaren Teil des Landes
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