Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
einige Ziegen aufzuziehen und zu zähmen und sie mit der Zeit wie eine Herde Schafe auf meinem Hofe zu halten. Gleich darauf fiel mir jedoch ein, daß ich dann die zahmen von den wilden absperren müßte, da sie ja außerdem beim Heranwachsen immer wieder wild werden würden. Die einzige Art, dies möglich zu machen, schien mir, ein Stück Land wohl verschlossen durch eine Hecke zu umgrenzen, damit die darin befindlichen Tiere weder ausbrechen, noch die von draußen eindringen könnten.
Das war ein großes Unternehmen für ein einziges Paar Hände. Da ich aber die absolute Notwendigkeit desselben einsah, so machte ich mich sogleich an die Arbeit und suchte zuvörderst nach einem passenden Platze, wo die Tiere Nahrung und Trinkwasser und Schutz vor der Sonne finden könnten.
Wer sich auf dergleichen Dinge versteht, wird mich für sehr unvernünftig halten, wenn er hört, wie ich die Sache angriff. Nachdem ich nämlich eine alle diese Bedingungen erfüllende Stelle ausgesucht hatte, das heißt ein flaches offenes Stück Wiesenland, oder eine Savanna, wie die Ansiedler in den westlichen Kolonien es nennen, die von mehren kleinen Süßwasserrinnen durchschnitten und an einem Ende mit Wald bestanden war, begann ich aus übergroßer Vorsorge die Anlage meiner Hecke in der Weise, daß sie vollendet wenigstens zwei Meilen im Umkreis gehabt haben würde. Und doch war die Größe des Umfangs an sich dabei nicht das Schlimmste; denn wäre er auch zehn Meilen weit gewesen, so hätte ich wahrscheinlich doch Zeit genug gehabt, ihn auszuführen. Schlimmer aber war, daß mir nicht in den Sinn kam, wie meine Ziegen in einem so weiten Spielraum ja ebenso wild werden würden, als wenn ich ihnen die ganze Insel überlassen hätte, und daß ich sie in einem solchen Raume niemals würde einfangen können.
Die Hecke war bereits angefangen und, ich glaube, schon etwa fünfzig Schritte lang ausgeführt, als mir das Bedenken zuerst einfiel. Ich hielt sogleich mit dem Arbeiten inne und beschloß, vorläufig nur ein Stück Land von ungefähr 150 Ellen Länge und 100 Ellen Breite einzuschließen. Dies war ganz ausreichend für so viele Ziegen, als ich vernünftigerweise fürs Erste zu haben erwarten konnte, und wenn meine Herde zunahm, konnte ich ja immer noch mehr Bodenfläche in die Umfassung hineinziehen.
An dies einigermaßen verständige Unternehmen machte ich mich nun mit gutem Mute. Es dauerte etwa drei Monate, bis das erste Stück fertig umzäunt war. Bis dahin pflöckte ich die drei Lämmer an den besten Weidestellen an und ließ sie, um sie zahm zu machen, in möglichster Nähe von mir grasen. Zuweilen brachte ich ihnen einige Gerstenähren oder eine Handvoll Reis und ließ sie aus meiner Hand fressen, so daß, als die Einfassung fertig war und ich die Lämmer losband, sie mir auf dem Fuße folgten und nach einer Hand voll Korn hinter mir her blökten. Meine Einrichtung erfüllte ihren Zweck vollständig. und in etwa anderthalb Jahren hatte ich eine Herde von zwölf Ziegen, einschließlich der Lämmer. Nach weiteren zwei Jahren waren es dreiundvierzig geworden, abgesehen von denen, die ich während dieser Zeit getötet und zu meiner Nahrung verwendet hatte. Nach und nach legte ich fünf solcher eingezäunter Weideplätze an, in denen ich kleine Abteilungen anbrachte, um die Tiere, die ich gerade gebrauchen wollte, hineinzutreiben. Die einzelnen Plätze brachte ich durch Gittertüren mit einander in Verbindung.
Jetzt konnte ich nicht nur Ziegenfleisch, so viel ich immer essen mochte, haben, sondern obendrein Milch, und das war Etwas, was ich im Anfange nicht einmal für möglich gehalten hatte; daher gewährte es mir eine um so angenehmere Überraschung. Ich richtete jetzt eine förmliche Milchwirtschaft ein, denn ich gewann zuweilen vier bis acht Quart Milch an einem Tage. Die Natur lehrt jedes Geschöpf von der Nahrung, die sie ihm gibt, Gebrauch zu machen. So lernte auch ich, der nie eine Kuh, viel weniger eine Ziege gemolken oder die Bereitung von Butter und Käse mit angesehen hatte, wenn auch erst nach vielen mißglückten Versuchen, mit Leichtigkeit sehr gute Butter und Käse zu bereiten. Von nun an fehlte es mir daran nie mehr. Wie gnädig ist doch unser Gott gegen seine Geschöpfe, auch in den Lebenslagen, wo sie mitten ins Verderben geraten zu sein scheinen! Wie kann er die bittersten Verhängnisse versüßen und uns Ursache geben, ihn für Kerker und Gefängnisse zu preisen! Welch ein reicher Tisch war hier in der
Weitere Kostenlose Bücher