Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
Crusoe, armer Robin Crusoe! Wo bist du, Robin Crusoe? Wo bist du? Wo bist du gewesen?«
Zuerst, da ich wegen meiner großen Ermüdung vom Rudern am Vormittag und von dem weiten Wege am Nachmittag sehr fest geschlafen, wurde ich nicht gleich ganz wach, sondern glaubte zwischen Schlafen und Wachen nur zu träumen, daß Jemand mit mir spreche. Als aber die Stimme fortfuhr, immerfort »Robin Crusoe, Robin Crusoe!« zu wiederholen, erwachte ich endlich völlig und war anfangs nicht wenig erschreckt, so daß ich in äußerster Bestürzung in die Höhe fuhr. Jedoch sobald ich die Augen aufgeschlagen hatte, erblickte ich auch schon meinen Pol auf der Hecke sitzend und wußte nun sofort, daß er es gewesen war, der mich angerufen hatte. Gerade in solchen traurig fragenden Ausrufen pflegte ich zu ihm zu sprechen und sie ihm zu lehren. Er hatte sie auch so vollkommen gelernt, daß er oft, auf meinem Finger sitzend und seinen Schnabel dicht an mein Gesicht gelegt, ausrief: »Armer Robin Crusoe! Wo bist du? Wo bist du gewesen? Wie kommst du hierher?« und dergleichen mehr, was ich ihm beigebracht hatte. Indessen wenn ich auch jetzt wußte, daß es nur der Papagei war und daß es wirklich Niemand anders gewesen sein konnte, dauerte es doch eine ganze Weile, bis ich mich zu fassen vermochte. Es wunderte mich nämlich, daß das Tier hierher gekommen war. Sobald ich mich jedoch vollkommen überzeugt hatte, daß Niemand anders als mein getreuer Pol in meiner Nähe sei, erholte ich mich von meinem Schrecken, streckte meine Hand aus und rief ihn bei seinem Namen. Hierauf kam das zutrauliche Tier angeflogen, setzte sich, wie es gewohnt war, auf meinen Daumen und fuhr fort zu mir zu sprechen: »Armer Robin Crusoe! und wie kommst du hierher? Wo bist du gewesen?« als ob er hoch erfreut wäre, mich wieder zu sehen. Ich nahm ihn zu mir und begab mich denn nach Hause. Jetzt hatte ich für eine Zeitlang genug am Seefahren. Die Gefahr, in der ich geschwebt, gab mir für viele Tage Stoff zum stillen Nachdenken. Sehr froh würde ich gewesen sein, wenn ich mein Boot wieder auf dieser Seite der Insel gehabt hätte, doch wußte ich nicht, wie ich es anfangen sollte, es herbeizuschaffen. Auf der Ostseite, der entlang ich gefahren war, durfte ich, wie ich wußte, nicht wagen es zu holen. Mein Herz stockte, und das Blut gerann mir in den Adern, wenn ich nur daran dachte. Wie es auf der anderen Seite der Insel aussah, war mir unbekannt. Aber wenn die Strömung mit derselben Gewalt östlich nach der Küste hin sich bewegte, als sie an der anderen Seite davon abtrieb, drohte mir ja dort gleiche Gefahr, mit dem Strome fort und an der Insel vorbeigerissen zu werden, wie ich vorher davon abgetrieben worden war. Mit diesem Gedanken tröstete ich mich über den zeitweiligen Verlust des Bootes, welches allerdings das Werk vieler, Monate langer Arbeit gewesen war, und das ich mit so besonders großer Mühe und so bedeutendem Zeitaufwand in das Meer geschafft hatte.
11. Die Ziegenherde
N achdem ich jenes Verlangen bezwungen hatte, führte ich fast ein Jahr lang ein sehr stilles, zurückgezogenes Leben. In meinem Gemüte war ich nun ganz mit meiner Lage ausgesöhnt und vollkommen gewillt, mich allen Anordnungen der Vorsehung ruhig zu fügen. Ich fühlte mich wirklich in jeder Hinsicht ganz glücklich, wobei ich jedoch das Gefühl der Einsamkeit nicht in Anschlag bringe.
Während dieser Zeit vervollkommnete ich mich in allen mechanischen Fertigkeiten, zu deren Übung mich meine Bedürfnisse genötigt hatten. Ich glaube, ich hätte jetzt, vorkommenden Falls, einen ganz leidlichen Zimmermann vorstellen können, wobei natürlich zu bedenken ist, wie wenig Handwerkszeug mir zu Gebote stand.
Außerdem brachte ich es zu einer unerwarteten Verbesserung meines Tongeschirres. Seit ich darauf verfiel, den Ton auf einer Scheibe zu drehen, ging die Herstellung meiner Gefäße weit leichter von Statten, und dieselben wurden jetzt rund und wohlgestaltet, während ich früher nur unförmliche Dinger zu Stande gebracht hatte. Nie aber, glaube ich, war ich stolzer auf meine Geschicklichkeit, oder erfreuter über irgend eine Erfindung, als da es mir gelang, eine Tabakspfeife zu machen. Zwar stellte sie fertig geworden nur ein sehr häßliches, plumpes Ding dar, auch bestand sie nur aus gebranntem Ton wie die anderen Töpferwaren, allein sie war hart und fest und ließ den Rauch, ganz wie es sich gehört, hindurch ziehen. Wie groß war mein Entzücken darüber! Ich hatte früher
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