Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
Flanke angriff, statt am Vorderteil, wie er wohl ursprünglich beabsichtigt hatte, schafften wir acht von unsern Kanonen auf die angegriffene Seite und gaben ihm eine Salve. Nachdem der Feind unser Feuer erwidert und dazu eine Musketensalve von 200 Mann, die er an Bord führte, gefügt hatte (ohne daß jedoch ein einziger unserer Leute, die sich gut gedeckt hielten, getroffen wurde), wich er zurück. Alsbald aber bereitete er einen neuen Angriff vor, und auch wir machten uns abermals zur Verteidigung fertig. Diesmal jedoch griff er uns auf der anderen Seite an, legte sich dicht an unsern Bord, und sofort sprangen sechzig Mann von den Türken auf unser Deck und begannen unser Segelwerk zu zerhauen.
Wir empfingen sie zwar mit Musketen, Enterhaken und anderen Waffen, machten auch zweimal unser Deck frei; trotzdem aber, um sogleich das traurige Ende des Kampfes zu berichten, mußten wir, nachdem unser Schiff seeuntüchtig gemacht und drei unsrer Leute getötet waren, uns ergeben und wurden als Gefangene nach Saleh, einer Hafenstadt der Neger, gebracht.
Dort ging es mir nicht so schlecht, als ich anfangs befürchtet hatte. Ich wurde nicht wie die Anderen ins Innere nach der kaiserlichen Residenz gebracht, sondern der Kapitän der Seeräuber behielt mich unter seiner eignen Beute, da ich als junger Bursch ihm brauchbar schien. Die furchtbare Verwandlung meines Standes, durch welche ich aus einem stolzen Kaufmann zu einem armen Sklaven geworden war, beugte mich tief. Jetzt gedachte ich der prophetischen Worte meines Vaters, daß ich ins Elend geraten und ganz hülflos werden würde. Ich wähnte, diese Vorhersagung habe sich nun bereits erfüllt und es könne nichts Schlimmeres mehr für mich kommen. Schon habe mich, dachte ich, die Hand des Himmels erreicht, und ich sei rettungslos verloren. Aber ach, es war nur der Vorschmack der Leiden, die ich noch, wie der Verlauf dieser Geschichte lehren wird, durchmachen sollte.
Als mein neuer Herr mich für sein eigenes Hans zurückbehielt, tauchte die Hoffnung in mir auf, er werde mich demnächst mit zur See nehmen und ich könne dann, wenn ihn etwa ein spanisches oder portugiesisches Kriegsschiff kapern würde, wieder meine Freiheit erlangen. Dieser schöne Wahn entschwand bald. Denn so oft sich mein Patron einschiffte, ließ er mich zurück, um die Arbeit im Garten und den gewöhnlichen Sklavendienst im Hause zu verrichten, und wenn er dann von seinen Streifzügen heimkam, mußte ich in der Kajüte seines Schiffes schlafen und dieses überwachen.
Während ich hier auf Nichts als meine Flucht dachte, wollte sich doch nicht die mindeste Möglichkeit zur Ausführung derselben zeigen. Auch war Niemand da, dem ich meine Pläne hätte mitteilen, und der mich hätte begleiten können. Denn unter meinen Mitsklaven befand sich kein Europäer. So bot sich mir denn zwei Jahre hindurch, so oft ich mich auch in der Einbildung damit beschäftigte, nicht die mindeste hoffnungerweckende Aussicht auf ein Entrinnen dar.
2. Sklaverei und Flucht
U ngefähr nach Ablauf dieser Zeit rief mir ein seltsamer Umstand meine Fluchtpläne wieder ins Gedächtnis. Eine geraume Weile hindurch blieb nämlich mein Herr, wie ich hörte aus Geldmangel, gegen seine Gewohnheit zu Hause liegen. Während dieser Zeit fuhr er jede Woche ein oder mehre Mal in seinem kleinen Schiffsboot auf die Rhede zum Fischen, wobei er stets mich und einen kleinen Moresken zum Rudern mitnahm. Wir machten ihm auf diesen Fahrten allerlei Späße vor, und da ich mich zum Fischfang anstellig zeigte, erlaubte er, daß ich nebst einem seiner Verwandten und dem Mohrenjungen auch bisweilen allein hinausfuhr und ihm ein Gericht Fische holte.
Als wir einst an einem sehr windstillen Morgen solch eine Fahrt machten, entstand ein so dicker Nebel, daß wir die Küste, von der wir kaum eine Stunde entfernt waren, aus dem Gesicht verloren. Wir ruderten unablässig, ohne zu wissen, ob wir vorwärts oder zurück kämen, den ganzen Tag und die folgende Nacht hindurch und wurden erst am nächsten Morgen gewahr, daß wir, statt uns dem Lande zu nähern, nach der offenen See hin geraten und mindestens zwei deutsche Meilen vom Ufer entfernt waren. Dennoch erreichten wir dieses, völlig ausgehungert, unter nicht geringer Mühe und Gefahr wieder, nachdem sich des Morgens ein scharfer Wind landwärts erhoben hatte.
Unser Gebieter, durch dies Ereignis gewarnt, beschloß, künftig für seine Person größere Vorsicht anzuwenden und nicht mehr ohne Kompaß
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