Robinson Crusoe
hatte, überhaupt damit anzufangen.
Aber jetzt war ich auf ganz etwas anderes aus. Tag und Nacht konnte ich nichts anderes mehr denken, als wie ich wohl einige dieser Ungeheuer bei ihrem grausamen, blutigen Unternehmen töten und womöglich das Opfer, das sie herschleppen würden, erretten könnte. Es würde ein dickeres Buch geben, als ich schreiben will, wenn ich all die Pläne erzählen sollte, die ich ausheckte oder über denen ich brütete, um diese Bestien umzubringen oder wenigstens so einzuschüchtern, daß ihnen das Wiederkommen verginge. Aber es waren alles lauter Fehlgeburten, und nichts ließ sich ausrichten, wenn ich mich nicht selber unter sie getraute. Was hätte aber ein Mann gegen sie vermocht, wenn ihrer vielleicht zwanzig oder dreißig waren, mit ihren Speeren. Bogen und Pfeilen, mit denen sie ebensogut zu treffen wußten wie ich mit meinem Gewehr?
Manchmal dachte ich daran, ein Loch unter ihren Feuerplatz zu graben und ein paar Pfund Schießpulver hineinzutun, welches dann beim Anzünden des Feuers explodieren und alles vernichten würde, was in der Nähe war. Aber erstens wäre es unsinnig gewesen, soviel Pulver zu verschwenden, da mein Vorrat jetzt bis auf ein Fäßchen zusammengeschmolzen war, und dann war ich auch nicht sicher, ob es zur rechten Zeit hochgehen würde, und vielleicht würde es ihnen auch nicht mehr tun, als ihnen das Feuer um die Ohren blasen und sie erschrecken, aber nicht so, daß sie für immer genug hätten. So gab ich das auf und beschloß, mich lieber an einem geeigneten Platz mit meinen drei geladenen Doppelläufern in den Hinterhalt zu legen und mitten in ihr blutiges Fest hineinzuknallen, wobei ich sicherlich mit jedem Schuß zwei oder drei verwunden oder töten würde. Dann wollte ich mit meinen Pistolen und meinem Schwert über sie herfallen und sie. wenn ihrer auch zwanzig wären, allesamt niedermachen. Dieser Gedanke hielt mich einige Wochen in Atem, und ich war so voll davon, daß ich oft davon träumte und im Schlaf wacker unter die Wilden hineinschoß.
Ich ging in meinem Zorn so weit, daß ich mehrere Tage herumlief, um den rechten Platz fü r besagten Hinterhalt zu finden. Ich ging oft an die Landungsstelle der Wilden selber, die mir mittlerweile vertrauter geworden war, und sosehr mein Gemüt auch schon von Rachegedanken erfüllt war und von dem Verlangen, ihrer zwanzig oder dreißig blutig über die Klinge springen zu lassen, wurde mein Zorn durch den Abscheu vor dem Ort und den Spuren der barbarischen Gesellen, die einander auffraßen, jedesmal von neuem aufgestachelt.
Schließlich fand ich einen Platz seitwärts an einem Hügel, an dem ich ungefährdet lauern konnte, bis ich eines ihrer Boote kommen sah, um mich dann, ehe sie landeten, ungesehen in das Dickicht zurückzuziehen, wo ich mich in einem geräumigen Loch ganz verkriechen konnte. Hier wollte ich sitzen, sie bei ihrem blutigen Treiben beobachten und dann ihre Köpfe recht aufs Ziel nehmen, wenn sie so dicht beieinander wären, daß ich sie unmöglich verfehlen könnte, sondern auf den ersten Schuß drei oder vier verwunden müßte.
An diesem Ort also wollte ich meinen Anschlag ausführen und machte daher meine zwei Musketen und meine gewöhnliche Jagdflinte fertig. Jede der Musketen lud ich mit ein paar Stück Eisen und vier oder fünf kleineren Kugeln, die Vogelflinte aber mit nahezu einer Handvoll gröbsten Schrotes. Die Pistolen lud ich mit je vier Kugeln. Auch versorgte ich mich mit Munition für eine zweite und dritte Ladung.
Nachdem ich mir so den Plan für meinen Überfall zurechtgelegt und in meiner Einbildung schon in die Tat umgesetzt hatte, ging ich jeden Morgen auf die Spitze des Hügels, der von meiner Burg drei Meilen oder mehr entfernt war, um aufzupassen, ob sich ein Boot der Insel näherte. Aber nachdem ich zwei oder drei Monate unausgesetzt Wache gehalten hatte und immer heimkam, ohne etwas gesehen zu haben, so weit meine Augen oder mein Glas reichten, wurde ich des beschwerlichen Handelns müde. Solange ich meinen täglichen Streifzug auf den Hügel machte, blieb ich auch fest bei meinem Anschlag, und mein Gemüt war in der richtigen Verfassung für eine so grausame Hinrichtung von zwanzig oder dreißig nackten Wilden wegen eines Verbrechens, über das ich mir weiter noch keine Gedanken gemacht hatte. Ich war nur eben leidenschaftlich erregt durch den Abscheu, den ich empfand gegen den widernatürlichen Brauch dieser Eingeborenen, über die es die Vorsehung in ihrer weisen
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