Robinson Crusoe
noch, bis sie zehn Fuß dick war, indem ich Erde davor aufhäufte und sie feststampfte. Durch die sieben Löcher steckte ich die sieben Musketen, die ich auf dem Schiff gerettet hatte, und lagerte sie wie Kanonen auf einer Art Gestellen, gleichsam wie auf Lafetten, und zwar so, daß ich alle sieben in zwei Minuten abschießen konnte. Manch langen Monat brauchte ich, um diese Mauer zu beendigen, und erst als sie fertig war, glaubte ich mich in Sicherheit.
Als dies geschehen war, bepflanzte ich den ganzen Boden vor der Mauer weit umher mit diesen weidenartigen Bäumen, die so schnell wuchsen. Ich glaube, ich setzte nahezu zwanzigtausend; doch ließ ich einen ziemlich großen Raum zwischen ihnen und der Mauer, damit ich die Feinde sehen könnte und sie keine Deckung hätten, wenn sie versuchen sollten, sich meiner äußeren Mauer zu nähern.
So hatte ich nach zwei Jahren einen dichten Hain und nach fünf oder sechs Jahren einen richtigen Wald vor meiner Wohnung, so dicht und stark, daß er schlechthin undurchdringlich war. Und kein Mensch der Welt konnte irgend etwas dahinter vermuten, geschweige denn eine Wohnung. Zum Ein- und Ausgehen hatte ich zwei Leitern gemacht; die eine führte auf einen niedern Felsvorsprung, an den ich die andere anlegen konnte, so daß, wenn beide Leitern weggenommen waren, kein lebender Mensch zu mir herunterkommen konnte, ohne zu verunglücken, und wenn es auch wirklich einem gelungen wäre, wäre er doch immer erst vor meiner äußeren Mauer gewesen.
So traf ich alle Maßnahmen zu meinem Schutz, die menschliche Voraussicht nur zu ersinnen vermag; und man wird später sehen, daß sie nicht ganz überflüssig waren, obwohl ich damals noch nichts anderes voraussah, als was meine Furcht mir eingab.
Während dieser Arbeit versäumte ich trotzdem nicht meine anderen Geschäfte. Besonders machte ich mir große Sorge um meine kleine Ziegenherde. Sie versorgte mich nachgerade schon zur Genüge und ersparte mir nicht nur Pulver und Blei, sondern auch die Mühe der Jagd nach den wilden Ziegen, und es wäre mir sehr leid gewesen, diesen Vorteil zu verlieren und mit der ganzen Zucht von vorne anzufangen. Nach langem Besinnen fand ich zwei Wege, um sie mir zu erhalten, nämlich entweder an einem bestimmten Platz eine unterirdische Höhle zu graben und sie jede Nacht hineinzutreiben oder aber zwei oder drei kleine Grundstücke, entfernt voneinander und so verborgen wie möglich, zu umzäunen, in deren jedem ich ungefähr ein halbes Dutzend junger Ziegen halten könnte, damit, wenn wirklich der Hauptherde ein Unglück zustieße, ich mir mit wenig Zeit und Mühe eine neue aufziehen könnte. Und dies schien mir, obgleich es viel Zeit und Arbeit kosten würde, doch das gescheiteste zu sein.
Ich suchte also lange nach den verstecktesten Plätzen der Insel und entschloß mich endlich für einen, der so entlegen war, wie ich nur wünschen konnte. Es war ein kleines, feuchtes Stück Land mitten im dichten Wald, wo ich mich ehemals auf der Rückkehr von der Ostseite der Insel fast verirrt hätte.
Hier also fand ich eine Lichtung von ungefähr drei Morgen, so von Gehölz wie von einer natürlichen Hürde umgeben, daß ich lange nicht soviel Mühe damit hatte wie zuvor. Ich machte mich gleich an die Arbeit, und in weniger als einem Monat hatte ich es rundherum eingezäunt, so daß meine Herde, die schon nicht mehr so wild war wie im Anfang, ganz sicher darin war. Unverweilt trieb ich nun zehn Ziegen und zwei Böcke hinein, und als sie drin waren, fuhr ich fort, die Hürde zu vervollkommnen, bis sie ganz undurchdringlich war wie die andere; ich betrieb es jedoch diesmal gemächlicher und brauchte viel mehr Zeit dazu.
Alle diese Arbeiten unternahm ich lediglich aus Angst wegen der menschlichen Fußspur, die ich entdeckt halte; denn irgendein menschliches Wesen hatte ich bis jetzt der Insel noch nicht nahe kommen sehen, und ich hatte nun schon zwei Jahre in dieser Unruhe gelebt, was mein Dasein wirklich viel unbehaglicher machte, als es gewesen war, wie sich jeder denken kann, der weiß, was es heißt, unter dem ständigen Druck der Menschenfurcht zu leben. Hierzu muß ich mit Kummer bemerken, daß die Unruhe meines Gemüts auch großen Einfluß auf mein religiöses Empfinden hatte; denn die Angst und das Entsetzen, in die Hände von Wilden und Kannibalen zu fallen, lag mir so auf der Seele, daß ich nur selten in der Stimmung war, mich an meinen Schöpfer zu wenden, zum mindesten nicht mit der Seelenruhe und
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