Robinson Crusoe
Unmenschen nie auf die Insel kamen, um nach Beute zu suchen.
Nein, sie suchten und wollten und erwarteten sicherlich nichts hier, und zweifellos waren sie schon oft bis in den bewaldeten Teil der Insel heraufgedrungen, ohne etwas zu finden, was ihnen dienlich war. Ich war ja nun doch schon fast achtzehn Jahre hier und hatte in all der Zeit nicht die geringste Spur von menschlichen Fußstapfen gefunden, und so konnte ich gewiß noch weitere achtzehn Jahre so völlig verborgen bleiben, wie ich es jetzt war, da mir nur daran lag, mich an meinem Ort völlig verborgen zu halten und mich nur dann bemerkbar zu machen, wenn etwa bessere Geschöpfe mir zu Gesicht kamen als diese Menschenfresser.
Trotzdem blieb mir solcher Ekel vor diesen Wilden und ihrer scheußlichen Gewohnheit, sich gegenseitig zu verschlingen und zu fressen, daß ich ganz nachdenklich und schwermütig wurde und mich wohl zwei Jahre lang in meinem Bereich stille hielt. Wenn ich Bereich sage, so meine ich meine drei Siedelungen, nämlich meine Burg, meinen Landsitz und die Hürden im Walde. Diese meine Ziegenställe waren das einzige, worum ich mich kümmerte. Mein Abscheu vor jenen Höllenhunden war so groß, daß mir mehr graute, sie zu sehen, als den Teufel selber. Ich besuchte auch mein Boot während dieser ganzen Zeit nicht ein einziges Mal, sondern dachte daran, mir ein neues zu bauen, weil ich auf keinen weiteren Versuch mehr sinnen mochte, das Boot um die Insel herum zu bringen; denn wäre ich auf See an diese Bestien geraten, so wußte ich, was mir geschehen wäre.
Allein die Zeit und die Zuversicht, daß ich nicht zu fürchten brauchte, von ihnen entdeckt zu werden, befreiten mich allmählich etwas von dem Alpdruck, und ich lebte wieder wie früher, nur mit dem Unterschied, daß ich mehr Vorsicht übte und meine Augen offener hielt. Vor allem hütete ich mich zu schießen, damit sie nicht etwa den Knall hörten. Nun kam es mir doppelt zugute, daß ich mit zahmen Ziegen versorgt war und nicht mehr im Walde zu jagen und nach ihnen zu schießen brauchte; wenn ich jetzt noch welche fing, tat ich es mit Fallen oder Schlingen wie zuvor, so daß ich wohl die ganzen zwei Jahre über mein Gewehr nicht einmal abfeuerte, obgleich ich es immer mitnahm. Auch trug ich immer zwei von den geretteten Pistolen bei mir in meinem Ziegeniedergürtel. Desgleichen schliff ich einen der großen Hirschfänger und machte mir einen Gürtel dazu, so daß ich nun - wenn man zu meiner vorigen Selbstbeschreibung noch die zwei Pistolen und den Hirschfänger fügt, der als großes Breitschwert, aber ohne Scheide, an meiner Seite hing - höchst fürchterlich anzuschauen war, wenn ich aus meiner Burg auszog. So ging mein Leben eine Zeitlang weiter, und, abgesehen von diesen Vorsichtsmaßnahmen, war alles wieder so still und friedlich wie zuvor. Es kam mir wieder mehr und mehr zu Gemüte, wie weit meine Lage davon entfernt war, trostlos zu sein, verglichen mit derjenigen anderer und mit dem Schlimmeren, das Gott über mich hätte verhängen können, wenn es ihm gefallen hätte, und ich sagte mir aufs neue, wieviel weniger die Menschen über ihre Lebensumstände murren und klagen würden, wenn sie sie mit schlimmeren vergleichen und dankbar sein würden, anstatt sich immer nur mit denen zu vergleichen, denen es besser geht, und dadurch ihrer Unzufriedenheit immer neue Nahrung zu geben.
Ich konnte mich nun wirklich kaum noch auf etwas besinnen, das mir fehlte, so daß es mir fast scheinen wollte, als habe die Angst vor den Wilden und der einzige Gedanke an meine Sicherheit mir die Erfindungsgabe für alles übrige genommen. Unter anderem kam dadurch ein Plan in Vergessenheit, an den ich früher oft gedacht hatte, nämlich, aus meiner Gerste Malz zu machen und mir dann Bier daraus zu brauen. Das war zwar ein närrischer Einfall, über den ich selber oft hatte lachen müssen; denn ich sah im voraus, daß mir die nötigsten Dinge zum Bierbrauen fehlten: erstens Fässer, um es zu verwahren ; denn dies war etwas, was ich, wie schon gesagt, nie zustande brachte, obwohl ich viele Tage, ja Wochen und Monate daran wandte. Ferner hatte ich keinen Hopfen, um das Bier haltbar zu machen, keine Hefe, um es zum Gären zu bringen, und keinen Kessel, um es zu sieden. Und trotzdem, wenn nicht all die Aufregung und Angst wegen der Wilden dazwischengekommen wäre, so würde ich es doch versucht haben; denn ich gab nur selten etwas unverrichteter Sache wieder auf, wenn ich mir einmal in den Kopf gesetzt
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