Robur der Sieger
taub gemacht hätten.
Der »Albatros«, der mit der todten Beute doch nichts beginnen konnte, setzte seinen Weg nach Westen fort.
Am folgenden Tage, am 17. Juni, Morgens um sechs Uhr, erstreckte sich am Horizonte Land hin. Es war die Halbinsel Aljaska und die lange Klippenreihe der Alëuten.
Der »Albatros« zog über dieser Barriere hin, an der es von Pelzseehunden wimmelte, welche die Alëutier für Rechnung der russisch-amerikanischen Gesellschaft jagen. Der Fang dieser sechs bis sieben Fuß langen, fast rosenrothen und zwei-, drei-bis fünfhundert Pfund wiegenden Amphibien ist für sie ein sehr gutes Geschäft. Dieselben lagen hier in endloser Reihe wie in Schlachtordnung und in Abertausenden von Exemplaren.
Wenn sie sich durch das Vorüberkommen des »Albatros« nicht in ihrer phlegmatischen Ruhe stören ließen, so war das nicht der Fall mit den Tauchervögeln, Polarenten und Eistauchern, deren heiseres Geschrei die Luft erfüllte und welche unter dem Wasser verschwanden, als ob ein entsetzliches Luftungeheuer sie bedrohte.
Die zweitausend Kilometer des Behrings-Meeres von den ersten Alëuten bis zur äußersten Spitze von Kamtschatka wurden während der vierundzwanzig Stunden dieses Tages und der folgenden Nacht zurückgelegt. Um ihren Fluchtplan ins Werk zu setzen, befanden sich Onkel Prudent und Phil Evans nicht gerade in günstigsten Verhältnissen, denn weder an dem öden Strande des nördlichsten Asiens, noch über dem Ochotskischen Meere hätten sie mit auch nur einiger Aussicht auf glücklichen Erfolg entweichen können.
Allem Anscheine nach wandte sich der »Albatros« nach der Gegend von Japan oder China zu. Wenn es auch nicht sehr weise sein mochte, sich auf die Unterstützung von Chinesen oder Japanesen zu verlassen, waren die beiden Collegen doch fest entschlossen, zu fliehen, wenn der Aeronef an irgend einem Punkte dieser Länder anhalten sollte.
Doch würde er denn Halt machen? Es lag ja bei ihm nicht so, wie bei einem Vogel, der durch langen Flug endlich ermüdet, oder wie bei einem Ballon, der wegen Gasmangel genöthigt wird, einmal niederzugehen. Der Aeronef besaß noch für mehrere Wochen aushaltende Vorräthe aller Art, und seine Organe von wunderbarer Solidität straften jede Erwartung auf Schwäche oder Trägheit Lügen.
Nach scharfer Fahrt über die Halbinsel Kamtschatka, von der man kaum die Niederlassung von Petropaulowsk und den Vulcan von Klutschew sah, und nach der weiteren über das Ochotskische Meer, nahezu in der Höhe der Kurilen, welche darin einen von Hunderten von Canälen unterbrochenen Damm bilden, erreichte der »Albatros« am 19. Juni die La Pérouse-Straße zwischen der Nordspitze von Japan und der Insel Sachalin an dem kleinen Einschnitt, in welchen sich der große sibirische Strom, der Amur, ergießt.
Nachher erhob sich ein dichter Nebel, den der Aeronef unter sich lassen wollte, wenn er auch nicht gezwungen war, denselben zu meiden, um weiter zu fahren, denn in der von ihm jetzt eingenommenen Höhe hatte er kein Hinderniß zu fürchten, weder höhere Bauwerke, an welche er hätte anstoßen können, noch Berge, an welchen er sich im Fluge zu zertrümmern Gefahr gelaufen wäre. Das Land war kaum wellenförmiger Natur. Die Dünste machten sich aber doch zu unangenehm fühlbar, da sie Alles an Bord durchnäßten.
Es bedurfte ja nichts weiter, als sich über diese Nebelschicht, welche drei-bis vierhundert Meter stark sein mochte, zu erheben. Die Schrauben wurden also in schnelle Umdrehung versetzt, und oberhalb des Nebels fand der »Albatros« wieder den reinen, vom Sonnenlicht gebadeten Himmel.
Unter diesen Verhältnissen hätten Onkel Prudent und Phil Evans Mühe gehabt, ihren Fluchtversuch auszuführen, selbst wenn sie den Aeronef hätten verlassen können.
An diesem Tage blieb Robur, als er einmal an ihnen vorüberkam, wie zufällig stehen und sagte, ohne äußerlich seinen Worten besondere Bedeutung beizulegen:
»Meine Herren, ein Segel-oder Dampfschiff, das in einen Nebel gerieth, dem es nicht entrinnen kann, ist immer sehr genirt, es fährt nur unter fortwährendem Pfeifen oder unter den Tönen des Nebelhorns weiter. Es muß seine Fortbewegung verlangsamen und hat trotz aller Vorsicht jeden Augenblick eine Collision zu befürchten. Der »Albatros« kennt solche Sorgen nicht. Was kümmern ihn die Nebel, da er sich ihnen entziehen kann? Ihm gehört das Luftmeer, die ganze weite Atmosphäre!«
Nach diesen Worten ging Robur ruhig weiter, ohne eine Antwort
Weitere Kostenlose Bücher