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Robur der Sieger

Robur der Sieger

Titel: Robur der Sieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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geglaubt, der die scharfe
    Entgegnung, die Vorwürfe und das Geschrei hörte, die den
    Sitzungssaal seit einer guten Viertelstunde erfüllten.
    Gedachter Saal war nämlich der größte des Weldon-Ins-
    tituts ... und jenes vor allen berühmten Clubs in der Walnut
    Street zu Philadelphia, Pennsylvania, Vereinigte Staaten von
    Nordamerika.
    In genannter Stadt war es erst am Vortag bei Gelegen-
    heit der Wahl eines Gaslaternenanzünders zu öffentlichen
    Kundgebungen, geräuschvollen Versammlungen und zu
    reichlich ausgeteilten Schlägen gekommen. Daher rührte
    eine noch nicht besänftigte Reizbarkeit und stammte wohl
    auch jene außergewöhnliche Erregung, welche die Mitglie-
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    der des Weldon-Instituts eben zeigten. Und hierbei handelte
    es sich nur um eine einfache Vereinigung von ›Ballonisten‹,
    die über die noch heutigentags brennende Frage der Lenk-
    barkeit der Ballons verhandelten.
    Der Vorgang aber spielte sich in einer Stadt der Verei-
    nigten Staaten ab, die an schneller Entwicklung selbst New
    York, Chicago, Cincinnati und San Francisco überholt hat –
    einer Stadt, die weder ein Hafenplatz, noch der Mittelpunkt
    von Petroleum- oder Steinkohlenbergwerken, auch kein
    Brennpunkt der Industrie, so wenig wie der Kreuzungs-
    punkt eines vielstrahligen Bahnnetzes ist – in einer Stadt,
    die an Größe schon Manchester, Edinburgh, Liverpool,
    Wien, Petersburg und Dublin übertrifft – einer Stadt, die
    einen Park besitzt, in dem die sieben Parks der Hauptstadt
    von England zusammen Platz finden – einer Stadt endlich,
    die jetzt nahezu 1.200.000 Einwohner zählt und sich nach
    London, Paris, New York und Berlin als die fünftgröße Stadt
    der Welt betrachtet.
    Philadelphia ist fast eine Stadt aus Marmor mit seinen
    vielen monumentalen Gebäuden und öffentlichen Anstal-
    ten, die nirgends ihresgleichen finden. Das bedeutendste al-
    ler Colleges der Neuen Welt ist das College Girard, und das
    hat seinen Sitz in Philadelphia. Die größte Eisenbrücke der
    Erde ist die, die den Schuykill überspannt, und diese befin-
    det sich in Philadelphia. Der schönste Tempel der Freimau-
    rerei ist der Maurertempel in Philadelphia; endlich besteht
    der größte Club von Freunden und Beförderern der Luft-
    schiffahrt ebenfalls in Philadelphia, und wer Gelegenheit
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    gehabt hätte, diesen am Abend des 12. Juni zu besuchen, der
    würde sich dabei ausgezeichnet unterhalten haben.
    In dem erwähnten großen Saal bewegten, drängten sich,
    gestikulierten, sprachen, verhandelten und stritten – alle
    den Hut auf dem Kopf – wohl hundert Ballonisten unter
    dem hohen Vorsitz eines Präsidenten, dem ein Schriftfüh-
    rer und ein Schatzmeister zur Seite standen. Es waren das
    keine Ingenieure vom Fach; nein, einfache Liebhaber alles
    dessen, was mit der Aerostatik zu tun hatte, aber begeisterte
    Liebhaber, und vor allem Feinde derjenigen, die den Aero-
    staten Apparate, »schwerer als Luft«, fliegende Maschinen,
    Luftschiffe und dergleichen entgegenzustellen beabsichti-
    gen. Daß diese wackeren Leute nimmermehr die Lenkbar-
    keit des Ballons erfinden würden, war gewiß mehr als wahr-
    scheinlich. Auf jeden Fall hatte ihr Vorsitzender Not genug,
    um sie selbst gehörig zu lenken und zu leiten.
    Dieser in Philadelphia sattsam bekannte Präsident war
    der Onkel Prudent – Prudent seinem Familiennamen nach.
    Was die weitere Bezeichnung ›Onkel‹ betrifft, so braucht
    man sich in Amerika darüber nicht zu wundern, wo je-
    der zum Onkel werden kann, ohne einen Neffen oder eine
    Nichte zu haben. Man sagt dort ebenso ›Onkel‹, wie ander-
    wärts ›Vater‹ von Leuten, die auf eine Vaterschaft nicht den
    geringsten Anspruch haben.
    Onkel Prudent war eine gewichtige Persönlichkeit und
    trotz seines Namens oft genannt gerade wegen seiner Kühn-
    heit, daneben sehr reich, was selbst in den Vereinigten Staa-
    ten nicht von Nachteil sein soll. Wie hätte er das auch nicht
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    sein sollen, da er einen großen Teil der Niagarafall-Aktien
    sein eigen nannte? Jener Zeit hatte sich nämlich in Buffalo
    eine Gesellschaft von Ingenieuren zur Ausbeutung der be-
    rühmten Fälle gegründet. Die 7.500 Kubikmeter, die der
    Niagara jede Sekunde hinabwälzt, können 7 Millionen PS
    erzeugen. Diese ungeheure, in einem Umkreis von 500 Kilo-
    meter nach allen Fabriken und Werkstätten verteilte Kraft-
    menge lieferte eine jährliche Ersparnis von 1.200 Millionen
    Mark, von dem ein Teil in die Kassen der

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