Robur der Sieger
Horizont umschließt.
»Es könnte ja sein«, sagte er, »daß der Gegenstand, um
den es sich handelt, ein besonders konstruierter Apparat,
eine fliegende Maschine wäre.«
Welcher Scherz!
Waren die vielfachen Widersprüche nun schon in der Al-
ten Welt sehr lebhaft, so begreift man leicht, wie sie sich in
jenem Teil der Neuen Welt gestalten mußten, von dem die
Vereinigten Staaten das weitaus größte Gebiet einnehmen.
Ein Yankee liebt bekanntlich keine Umwege – er wählt
gewöhnlich den, der am schnellsten zum Ziel führt. So zö-
gerten auch die amerikanischen Bundesstaaten nicht im
mindesten, ihre Ansichten gegenseitig auszusprechen. Wenn
sie sich dabei nicht gleich die Objektive ihrer Fernrohre an
den Kopf warfen, so kam das nur daher, daß sie sie jetzt, wo
sie gerade am meisten gebraucht wurden, erst hätten wieder
ersetzen müssen.
In dieser so viel Staub aufwirbelnden Frage standen die
Sternwarten von Washington D.C. und die von Cambridge
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im Staat Duna denen des Darmouth College in Connecticut
und von Ann-Arbor in Michigan feindlich gegenüber. Ihr
Streit betraf übrigens nicht die Natur des beobachteten Kör-
pers, sondern die genaue Zeit der Beobachtung, denn alle
behaupteten, ihn in derselben Nacht, zu derselben Stunde,
zur gleichen Minute und Sekunde wahrgenommen zu ha-
ben, obwohl die Flugbahn des geheimnisvollen Wanderers
der Lüfte nur in mäßiger Höhe über dem Horizont liegen
sollte. Von Connecticut bis Michigan, von Duna nach Co-
lumbia ist aber die Entfernung so groß, daß eine doppelte
Beobachtung zu ein und demselben Zeitpunkt als unmög-
lich angesehen werden konnte.
Dudley in Albany, New York, und West-Point, die Mili-
tärakademie, gaben allen ihren Kollegen unrecht in einer
Zuschrift, welche die gerade Aufsteigung und die Deklina-
tion des bewußten Körpers bestimmte.
Später stellte sich jedoch heraus, daß diese Beobach-
ter einem Irrtum unterlegen waren und daß der betref-
fende Körper nur eine Feuerkugel gewesen war, die durch
die mittleren Luftschichten hinblitzte. Um diese Feuerkugel
handelte es sich aber offenbar nicht. Wie könnte auch eine
solche Feuerkugel eine Trompete geblasen haben?
Was nun die erwähnte Trompete anging, versuchte man
vergeblich deren schmetternden Ton als eine einfache Ge-
hörstäuschung hinzustellen. Jedenfalls hatten sich bei die-
ser Gelegenheit die Ohren der Leute ebensowenig getäuscht
wie deren Augen. Unzählige Beobachter hatten vielmehr
entschieden etwas gesehen und gleichzeitig gehört. In der
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sehr dunklen Nacht – vom 12. zum 13. Mai – war es den Be-
obachtern des Yale College an der Hochschule von Sheffield
sogar gelungen, einige Takte eines musikalischen Satzes in
A-dur und im Viervierteltakt in Noten zu fixieren, die voll-
kommen mit einem Teil der Melodie des bekannten ›Chant
du départ‹ – eines Soldatenlieds zum Auszug zum Kampf –
übereinstimmten.
»Sehr schön!« riefen dazu die Witzbolde, »da hätten wir
ja ein französisches Orchester, das seine Weisen mitten in
der Luft ertönen läßt!«
Scherzen heißt aber nicht antworten. Diese Bemerkung
machte auch das von der Atlantic Iron Works Company ge-
gründete Observatorium zu Boston, dessen Anschauungen
in Fragen der Astronomie und Meteorologie für die ge-
lehrte Welt allmählich schon die Bedeutung von Gesetzen
gewann.
Ferner gab auch noch das, dank der Freigebigkeit des Mr.
Kilgoor im Jahre 1870 auf dem Berg Lookout entstandene
Observatorium von Cincinnati eine Erklärung ab, jenes In-
stitut, das sich durch seine mikrometrischen Messungen der
Doppelsterne so vorteilhaft bekanntgemacht hat. Sein Di-
rektor sprach sich in vollem guten Glauben dahin aus, daß
den weitverbreiteten Gerüchten unzweifelhaft etwas zu-
grunde liege, daß sich zu nahe aneinanderliegenden Zeiten
an sehr verschiedenen Stellen in der Atmosphäre ein in Be-
wegung befindlicher Körper zeige, daß über dessen Natur,
Größenverhältnisse, Geschwindigkeit und Flugbahn aber
kein Urteil möglich sei.
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Da erhielt ein Journal von allergrößter Verbreitung, der
New York Herald, von einem Abonnenten folgende ano-
nyme Mitteilung:
»Noch dürfte der Wettkampf unvergessen sein, der vor
einigen Jahren herrschte zwischen den beiden Erben der
Begum von Ragginahra, dem französischen Arzt Sarrasin
in seiner Stadt Franceville und dem deutschen Ingenieur
Herrn Schultze in seiner Stadt Stahlstadt,
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