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Rocking Horse Road (German Edition)

Rocking Horse Road (German Edition)

Titel: Rocking Horse Road (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Nixon
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Seite, und im hinteren Teil wurden ein oder zwei neue Häuser gebaut. 1980 gab es auf beiden Straßenseiten mehr oder weniger nur eine einzige Zeile älterer Häuser, jedes mit einem ausreichend großen Gartengrundstück. Die Immobilien auf der Meerseite hatten zumeist keine Zäune hinter den Häusern, so daß die Grenze zwischen Grundstück und Dünen nicht markiert war. Es gab noch eine Menge Brachen, wo Unkraut und hie und da eine Kiefer wuchsen und die Kaninchenpopulation von streunenden Katzen in Schach gehalten wurde.
    Lucy Asher ging wie wir alle auf die South Brighton High School, doch war sie älter als wir, siebzehn, und hatte die Schulzeit eigentlich schon drei Wochen hinter sich, als sie ermordet wurde. Das Milchgeschäft ihrer Eltern lag etwa am Anfang des letzten Viertels der Rocking Horse Road, und die Ashers bewohnten einige Zimmer hinter dem Laden. Lucy war die ältere von zwei Töchtern. Ihre jüngere Schwester Carolyn war eine Klasse unter uns, in der 10., aber weil sie weder sportlich noch attraktiv war, blieb sie für uns so gut wie unsichtbar.
    Lucy arbeitete nach der Schule und an Wochenenden häufig im Laden. Und wir gingen oft hin, um Milch, Brot und Zeitungen für unsere Eltern zu holen. Für uns selbst kauften wir kleine weiße Tüten voller leckerer Milchfläschchen aus Lakritz, Orangenkaubonbons, Lutscher in Eskimoform und Anispastillen. Wir saugten Brausepulver durch Strohhalme, und im Sommer gab es Eiswaffeln, bei denen wir unter den acht Sorten wählten, die Mrs. Asher führte. Das Ganze spülten wir mit Cola aus Glasflaschen runter oder, wenn wir’s gesünder wollten, mit Erdbeer- oder Schokomilch. Wir hatten Lucy Asher fast jeden Tag gesehen, doch hatten wir ihr kaum mehr Beachtung geschenkt als den sich vertiefenden Linien in den Gesichtern unserer Eltern oder der Farbe des Hauses, in dem wir aufgewachsen waren. Allmählich wurde uns klar, daß man etwas erst richtig zu sehen beginnt, wenn es verschwunden ist.
    In den Tagen nach der Entdeckung von Lucys Leiche waren die Zeitungen voll von dieser Story. Reporter liefen über den Strand wie streunende Hunde. Sie hielten uns auf der Straße an, um uns zu fragen, ob wir Lucy gekannt hätten und was für ein Mädchen sie gewesen sei. Manchmal fanden wir dann unsere eigenen Worte in der Zeitung wieder, mit der Quellenangabe »ein enger Freund« oder »langjähriger Schulkamerad der Ermordeten«. Was man so im Vorbeigehen gesagt hatte, sah seltsam aus, wenn man es dann Schwarz auf Weiß las. Selten nur stimmte es mit dem überein, was wir unserer Erinnerung nach gesagt hatten. Und ganz sicher kamen diese Worte einer Beschreibung der Lucy, die wir täglich in der Schule oder im Laden gesehen hatten, nicht einmal nahe.
    Es gab ein Foto von ihr, das The Press und The Evening Star favorisierten. Es war in dem Sommer vor Lucys Tod aufgenommen worden, als Lucy in der 12. Klasse war. Es zeigt sie vor dem Surfclub mit einer kleinen Trophäe, die sie gerade bei den Provinzmeisterschaften im Strandlauf gewonnen hatte. Sie hat das rote Trikot an, in dem sie gelaufen ist, und an ihrer linken Schulter klebt ein kleiner Fleck von nassem Sand. Man sieht sie bis zur Hüfte. Sie ist braun, lächelt und hält die Silbertrophäe mit beiden Händen in die Kamera, als wollte sie dem Fotografen damit ein Geschenk machen. Ihr Haar ist hellbraun, heller gebleicht, als es im Winter war (später fanden wir heraus, daß sie sich jeden Abend vor dem Schlafengehen Zitronensaft in die Haare schmierte, damit sie heller wurden). Sie hat braune Augen und einen breiten, fast amerikanischen Mund. Obwohl attraktiv, war Lucy doch nicht das, was die Leute eine Schönheit nennen würden; zumindest nicht, bis man sie besser kennenlernte.
    Wir haben diese Trophäe noch, obwohl sie bereits im selben Jahr in zwei Teile zerbrochen ist und nie repariert wurde. Ungefähr einen Monat nach Lucys Tod tauchte sie im Müll vor dem Haus der Ashers auf. Sie lag auf dem Müllsack, und Tug Gardiner fand sie auf seiner Morgenrunde – er trug in dieser Gegend Zeitungen aus. Die Trophäe ist eigentlich für einen Leichtathletikwettbewerb gedacht, aber wer immer sie gekauft hat, war wohl der Ansicht, daß sie auch zu einem Strandlauf für Mädchen unter 17 Jahren paßte: eine silberne Mädchenfigur, die ein Rennen gewinnt, den Kopf nach vorn geworfen, die Arme nach hinten. Das Zielband hängt an ihrer Brust. Offenbar aber hatte man die Trophäe nicht für bedeutend genug gehalten, um Lucys Namen

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