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Rocking Horse Road (German Edition)

Rocking Horse Road (German Edition)

Titel: Rocking Horse Road (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Nixon
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Ball gehalten hätten, den das Meer ihr irgendwann in dieser Nacht entwunden hat. Der Fußabdruck befindet sich knapp unterhalb der Leiche, Richtung Wasser, und berührt fast ihren kleinen Finger. Er stammt von einem Converse-Schuh, einem Basketball-Modell mit Stoffoberteil, das es in Blau oder Rot gab, mit einem Stern auf der Seite über dem Knöchel. Zu der Zeit trugen wir alle solche Schuhe. Doch alles, was Pete je dazu sagte, war, daß er nahe genug kam, um in der Frau Lucy Asher zu erkennen. Sie trug ein Halsband von Blutergüssen, ein Abschiedsgeschenk desjenigen, der sie in dieser Nacht vergewaltigt und erwürgt und ihren Leichnam dann in das tiefe Wasser des Kanals geworfen hatte.
    Das war der Moment, als Pete »ausflippte«, sich umdrehte und über die Dünen zurückrannte, um Jase Harbidges Vater zu holen, der dann schon bald über den Sand flog wie ein großer weißer Vogel.
    Die Nehrung The Spit liegt so weit südlich, wie man von der am Meer gelegenen Vorstadt von Christchurch, New Brighton, gehen kann, ohne nasse Füße zu bekommen. Sie ist ein langer Finger aus knochentrockenem Sand, am breitesten Punkt mißt sie etwa einen Kilometer. Durch ihre Mitte führt wie eine einzelne dunkle Vene die Rocking Horse Road. The Spit ist das einzige, was Tausende von Kilometern des kalten Südpazifik von der Trichtermündung, die von den Flüssen Avon und Heathcote gebildet wird, trennt. Ein Ort mit Wasser auf drei Seiten, wo die Flut zweimal täglich kommt und geht und der Sand ständig umgeschichtet wird.
    Tatsächlich ist das ganze New Brighton vom Rest der Stadt Christchurch durch Wasser getrennt. Der Avon folgt der Küstenlinie, bevor er sich in die Lagune der Trichtermündung ergießt, und fungiert als Wassergraben. New Brighton wirkt abgetrennt, wie eine eigene Stadt. Warum sollte man dort wohnen? Das war die allgemeine Ansicht. Christchurch hatte wesentlich leichter zugängliche und hübschere Stadtteile als The Spit. Es gab genügend Gegenden, in denen man nicht den Rat der Bibel ignorierte, man solle sein Haus nicht auf Sand bauen. Immer gab es Leute, die vom unvermeidlichen Tsunami raunten, der sei nur ein Erdbeben in Chile entfernt. Dieselben Leute redeten davon, daß die Erosion aus einer Laune der Natur heraus innerhalb von sechs Monaten die Dünen komplett abtragen könnte. Es sei also nur eine Frage der Zeit, wann unsere Häuser vom Meer weggespült würden.
    Zugegeben, bei uns war der Erdboden nicht mehr als ein Furnier. Tussockgras, Kohlbäume und Neuseelandflachs bildeten einen ärmlichen Ersatz für einen Garten, aber etwas anderes wuchs auf dem Sand nicht. Und dann gab es da noch den Ostwind. Er war ein weiterer Grund, warum die meisten Leute The Spit nicht mochten. Normalerweise setzte er in den späten Morgenstunden ein und blies kalt vom Meer her. Er sprühte Salzkristalle über unsere Häuser, so daß selbst neue Autos in ein paar Jahren durchrosteten. Die Fenster wirkten permanent wie vereist. Wurde er stärker, dann blies er den Sand knöchelhoch über den Strand wie Schmirgelpapier, das uns an den Beinen stach. Wie ein Sandstrahlgebläse glättete er die Dünen zu weichen Formen. Die Einheimischen nannten ihn scherzhaft den »faulen Wind«: Er war zu faul, um dich herumzublasen, also blies er geradewegs durch dich hindurch.
    New Brighton war eine Arbeitergegend, wo die Leute Autokarosserien und halbfertige Boote jahrelang vor ihren Häusern stehen ließen – nie beendete Projekte. Unsere Väter waren Mechaniker und Bauarbeiter, Metzger und städtische Arbeiter, Schauerleute, die drüben im Hafen arbeiteten. Sie fuhren die Müllautos und bauten Straßen. Männer, die mit ihren Händen arbeiteten und dazu das Radio laut aufdrehten, im Sommer, um Cricketmatches zu verfolgen. Rugby war ihre Winterreligion.
    Die meisten unserer Väter waren in New Brighton aufgewachsen und dachten sich wie wir nichts dabei, wenn der Sand in die Teppiche drang und die Staubsauger verstopfte oder sich in den Schienen der Schiebetüren festsetzte. Sie schienen die wütenden Schreie der Möwen nicht zu hören, wenn die sich draußen auf die Wäscheleinen setzten und lange weiße Streifen auf die Laken ihrer Frauen schissen. Sie hatten entweder Mädchen aus New Brighton geheiratet oder Frauen, die bereit waren, Zugeständnisse zu machen.
    In letzter Zeit ist The Spit begehrtes Bauland geworden, und zahlreiche Baulücken wurden geschlossen. Die meisten der großen Grundstücke bekamen eine eigene Zufahrt an der

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