Römischer Lorbeer
nicht nennen kann. Ich habe sie wie das
ganze Haus mehr oder weniger geerbt. Aber die Geschichte, wie es
dazu kam, würde ein ganzes Buch füllen.«
Dio betrachtete den
Säulengang, der den Garten umgab, und war augenscheinlich
beeindruckt. »Diese mehrfarbigen Fliesen über den
Türen -«
»Gebrannt von
Handwerkern in Arretium. Hat mir zumindest mein verstorbener
Wohltäter Lucius Claudius einmal erzählt, als ich noch
als Besucher in dieses Haus kam.«
»Und all diese
kunstvoll gemeißelten Säulen -«
»Geborgen und,
so hat man mir berichtet, unter großen Mühen aus einer
alten Villa in Baiae hergebracht, genau wie die Minerva-Statue.
Alle von griechischer Art und Baukunst. Lucius Claudius
verfügte über einen exquisiten Geschmack und
beträchtliches Vermögen.«
»Und jetzt
gehört all das dir? Du hast es zu etwas gebracht, Gordianus.
Alle Achtung. Als man mir sagte, du würdest in einem
schönen Haus auf dem Palatin leben, habe ich mich gefragt, ob
das derselbe Mann sein könne, der in Alexandria das Leben
eines Vagabunden geführt und von der Hand in den Mund gelebt
hat.«
Ich zuckte die
Schultern. »Vielleicht war ich ein Vagabund, doch hier in Rom
gab es immer das bescheidene Haus meines Vaters auf dem Esquilin,
in das ich heimkehren konnte.«
»Siehst du, ich
habe dich richtig eingeschätzt, als ich dich damals in
Alexandria traf. Ich habe viele weise Männer gekannt,
Philosophen, die sich nach Erkenntnis verzehren wie andere Menschen
nach edlen Weinen, prunkvoller Kleidung oder schönen Sklaven -
wie nach einem glitzernden Besitz, der sie trösten und ihnen
die Hochachtung anderer Menschen einbringen kann. Aber du hast nach
der Wahrheit gesucht, als ob du sie heiraten wolltest, Gordianus.
Du hast die Wahrheit ersehnt, als ob du nicht leben könntest,
ohne jeden Morgen ihren Duft einzuatmen. Du hast all ihre
Geheimnisse gleichermaßen geliebt - die großen Fragen
der Philosophie ebenso wie das praktische Rätsel der
Entlarvung des Mörders einer alexandrinischen Katze. Nach der
Wahrheit zu streben, ist eine Tugend. Und für deine Tugend
haben die Götter dich reich belohnt.«
Ich wußte nicht,
wie ich außer mit einem Achselzucken darauf antworten sollte.
In den dreißig Jahren seit meiner letzten Begegnung mit Dio
hätte ich leicht hundertmal sterben können, oder ich
hätte wie so viele andere verarmen können. Statt dessen
besaß ich ein Haus auf dem Palatin und zählte Senatoren
und wohlhabende Händler zu meinen Nachbarn. Dios
Erklärung für mein Glück war so vernünftig wie
jede andere auch, obwohl ich den Eindruck habe, daß auch die
Philosophen nicht wissen, was Fortuna bewegt, dem einen Menschen
zuzulächeln und den anderen zu verspotten. Doch als ich sah,
wie er sein zwanghaftes Gerenne wieder aufnahm, konnte ich nicht
umhin zu denken, daß Dio trotz seiner jahrelangen Hingabe an
die Suche nach Wahrheit ausgezehrt wirkte - wie ein Mann, von dem
Fortuna sich abgewendet
hatte.
Es war schon geraume
Zeit her, seit ich zuletzt länger mit einem Philosophen
gesprochen hatte. Ich hatte vergessen, wie gerne sie redeten,
lieber noch als Politiker und nicht unbedingt immer auf den Punkt.
Wir waren weit von dem Anlaß für Dios Besuch abgekommen.
Im Garten wurde es langsam kühl.
»Komm, laß
uns ins Haus gehen. Wenn der Kohlenrost zu heiß ist,
laß ich dir kühlen Wein bringen.«
»Für mich
gewärmten Wein«, sagte Trygonion zitternd.
»Ja, noch ein
wenig von dem ausgezeichneten Wein«, murmelte Dio. »Ich
bin recht durstig.«
»Auch
hungrig?« fragte ich. Mein eigener Magen knurrte.
»Nein!«
beharrte er. Doch als er über die Schwelle ins Haus trat,
stolperte und taumelte er, und als ich den Arm ausstreckte, um ihn
zu stützten, spürte ich, wie er zitterte.
»Wann hast du
zuletzt gegessen?«
Er schüttelte den
Kopf. »Ich weiß es nicht genau.«
»Du kannst dich
nicht daran erinnern?«
»Gestern habe
ich es gewagt, das Haus zu verlassen, und in der Verkleidung, in
der ich jetzt vor dir stehe, auf dem Markt ein wenig Brot
gekauft.« Er schüttelte erneut den Kopf. »Ich
hätte mir noch etwas für heute morgen mitnehmen sollen
-aber es hätte natürlich vergiftet werden können,
während ich schlief…«
»Dann hast du
heute noch gar nichts gegessen?«
»An meinem
letzten Aufenthaltsort haben die Sklaven versucht, mich zu
vergiften! Sogar im Haus von Titus Coponius kann ich mich nicht
sicher fühlen. Wenn sich die Sklaven eines Mannes zu einem
Mord bestechen lassen,
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