Römischer Lorbeer
Kopf;
er wirkte müde und verwirrt und zitterte vor Erregung und
zweifelsohne auch vor Hunger. Er murmelte etwas, bevor er
schließlich aufblickte und nickte.
»Ja - ein
alexandrinisches Gericht, hast du gesagt?«
»Was können
wir unseren Besuchern anbieten? Bethesda, hast du mich
gehört?«
Sie schien wie aus
einem Tagtraum zu erwachen und räusperte sich. »Ich
könnte ägyptisches Fladenbrot machen… und
vielleicht etwas mit Linsen und Wurst…«
»Oh, das
wäre sehr gut«, sagte Dio und starrte sie mit einem
seltsamen Ausdruck an. Er mochte ein Philosoph sein, aber Hunger
und Heimweh können jedem den Verstand trüben.
Auf einmal tauchte
Diana an Bethesdas Seite auf. Dio wirkte jetzt noch verwirrter, als
er von Mutter zu Tochter blickte. Ihre Ähnlichkeit ist in der
Tat verblüffend.
Genauso plötzlich
wie sie aufgetaucht war, verschwand Bethesda wieder. Diana blieb
noch einen Moment und schien den finsteren Blick ihrer Mutter zu
imitieren. Je länger ich mit einer Frau zusammenlebe, desto
rätselhafter erscheint mir diese Erfahrung, und seit zwei von
ihnen unter meinem Dach leben, ist es noch viel
rätselhafter.
Diana machte auf dem
Absatz kehrt und folgte ihrer Mutter mit den gleichen raschen,
hochmütigen Schritten. Ich sah meine Gäste an. Ich
dachte, daß es, verglichen mit dem Bemühen, eine Frau zu
verstehen, eigentlich gar nicht so schwierig war, einen anderen
Mann zu begreifen - und sei es ein Philosoph in einer Stola oder
ein Galloi, der sein Geschlecht aufgegeben hatte.
Eine Sklavin brachte
Wein und ein paar Brotrinden, um unseren ärgsten Hunger zu
lindern, bis das Essen fertig war. Kälte war aus dem Garten
ins Haus gekrochen, so daß ich Belbo aufforderte, Kohlen
nachzulegen, während ich die Fensterläden schloß.
Ich blickte nach draußen und sah, daß die
Dämmerung sich über das Atrium gesenkt und das Antlitz
der Minerva in undurchdringlichen Schatten getaucht
hatte.
Mit einem weiteren
Schluck Wein und einem Happen Brot im Bauch fand Dio auch endlich die
Kraft, von den Ereignissen zu berichten, die ihn in einen Zustand
solcher Angst und Ungewißheit versetzt hatten.
4
»Am besten ich
berichte alles der Reihe nach«, seufzte Dio, »soweit
das bei einer so verwickelten Geschichte überhaupt
möglich ist. Einiges weißt du ja bereits
-«
»Hilf meinem
Gedächtnis auf die Sprünge«, sagte ich. »Nun
gut. Seit ich denken kann, ist Alexandria ständig von
politischen Umwälzungen heimgesucht worden. Die Mitglieder des
königlichen Geschlechts der Ptolemäer bekämpfen sich
gegenseitig in endlosen Fehden. Für die Einwohner Alexandrias
bedeutete das jedesmal blutige Auseinandersetzungen und
erdrückende Steuern. Immer wieder hat das Volk sich erhoben
und einen Herrscher nach dem anderen aus der Hauptstadt gejagt. Der
eine Ptolemaios geht ins Exil, der nächste nimmt seinen Platz
ein - ich will hier nicht alle aufzählen. Wer immer gerade
siegreich ist, besetzt Alexandria mit seinen großen
Kornkammern und dem königlichen Staatsschatz. Das Glück
ist bald diesem, bald jenem hold, die Herrscher tauschen ihre
Plätze, während die Menschen ihre Machtspiele erdulden
müssen. Ich habe vergessen, welcher Ptolemaios gerade auf dem
Thron saß, als du in Alexandria warst, Gordianus
-«
»Alexander,
glaube ich.«
»Ja, richtig;
ein paar Jahre später wurde er von einem aufgebrachten Mob aus
der Stadt gejagt und starb unter ungeklärten Umständen.
Dann übernahm Alexanders Bruder Soter den Thron. Acht Jahre
später starb er, ohne einen legitimen Nachfolger zu
hinterlassen. Das war vor vierundzwanzig Jahren.«
Dio legte seine
Fingerspitzen aneinander. »Der einzige legitime
männliche Thronfolger aus dem Geschlecht der Ptolemäer
war Soters Neffe, der wie sein Vater Alexander hieß. Als
Soter starb, lebte dieser gerade unter der Protektion des Diktators
Sulla hier in Rom. Und genau an dieser Stelle kommt Rom ins Spiel.
Mit diplomatischer Unterstützung Roms und geliehenem
römischen Kapital im Rücken kehrte Alexander II. nach
Ägypten zurück, um den Thron zu besteigen. Dazu
mußte er jedoch zunächst seine Tante, Soters Witwe,
heiraten, die sich weigerte, als Königin abzudanken.
Geheiratet hat er sie dann auch - und danach kurzerhand ermordet.
Die Königin war sehr beliebt, und ihr Tod entfachte die Wut
des
Pöbels.«
»Desselben
Pöbels, der wegen einer toten Katze randaliert hat?«
Trygonion rümpfte die Nase. »Mich schaudert bei dem
Gedanken, zu was sie nach der
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