Röslein stach - Die Arena-Thriller
Irren, die es in solchen Fällen immer reichlich gab, herauszufiltern. Verdammt noch mal, es musste ein Leck in der Dienststelle geben oder in der Rechtsmedizin. Sie hatte jetzt aber weder Zeit noch Lust, sich länger darüber zu ärgern, sondern fragte den Beamten: »Hatte sie schon Besuch?«
»Nur ihre Eltern.«
Sie deutete auf die Zeitung. »Falls dieser Typ – er ist jetzt allerdings zwanzig Jahre älter – hier auftaucht, dann rufen Sie mich bitte sofort an.« Sie reichte ihm ihre Karte, klopfte kurz und betrat das Krankenzimmer, ohne auf ein »Herein« zu warten. Es wäre auch vergeblich gewesen.
Das Mädchen lag im Bett und hörte Musik aus einem MP3-Player, und zwar ziemlich laut, sogar Petra konnte mithören. Sie sah gesund aus, nur die zwei dicken Verbände um die Handgelenke zeugten noch von ihrer Tat. Auf dem Nachttisch lagen Pralinen und ein Stapel Schulbücher und Romane.
Die Kommissarin bedeutete Rana, die Stöpsel aus den Ohren zu nehmen. Dann stellte sie sich vor.
Rana machte einen aufgeräumten Eindruck und beantwortete Petras Fragen ohne Umschweife. Ja, sie kannte Leopold Steinhauer aus dem Landeskrankenhaus. Sie hatte sich für sein Gartenprojekt interessiert und hatte oft mit ihm zusammengearbeitet.
Sie schien ihn zu mögen und zu bewundern, das merkte Petra ihren Erzählungen an. »Warum hast du die Klinik verlassen?«
»Die helfen mir dort nicht. Die pumpen mich nur mit Pillen voll, aber wenn ich die nehme, dann fühle ich mich wie ein Zombie. Und ohne Leopold war es dort nicht mehr zum Aushalten. Diese Dr. Tiedke, die ging mir so was von auf den Keks mit ihrem ›Wie fühlst du dich heute?‹ Da bin ich eben abgehauen. Ich war ja schließlich freiwillig dort.«
»Und warum bist du nicht zu deinen Eltern zurück?«
»Weil die mich wieder zurückgebracht hätten, ist doch wohl logisch!« Ein kleiner trotziger Unterton hatte sich eingeschlichen.
»Was wolltest du eigentlich in der alten Villa?«
»Dort wohnen. Ich dachte nämlich erst, er wohnt auch dort. Er hat mir davon erzählt. Von dem Garten hauptsächlich. Aber dann, als ich dort war, hat er gesagt, dass ich verschwinden soll.«
»Und da hast du den Bewohnern diese Geschichte mit der Zwangsheirat erzählt.«
Sie grinste. »War ganz easy. Die haben das sofort geglaubt. Türkin – Zwangsheirat – ist ja klar!«
»Und dann?«
Ihre Schilderung der Geschehnisse der nächsten Tage deckte sich mit der von Steinhauer. Sie hatte die Villa am Freitag gegen Mittag verlassen, hatte ihm aufgelauert und war ihm bis zu seiner Wohnung gefolgt.
»Was habt ihr am Wochenende gemacht?«
»Nichts.«
»Was heißt, nichts?«
»Er hat die ganze Zeit gemalt, ich hab gechillt. Abends haben wir was gekocht. Es war alles gut, ich weiß nicht, warum er mich wegschicken wollte! Aber gestern Morgen ist er gegangen und hat gesagt, er will mich nicht mehr hier sehen, wenn er wiederkommt. Da bin ich durchgedreht und…« Sie hob die verbundenen Hände in die Höhe. »Es ist seine Schuld! Er hätte nicht so gemein sein dürfen!«
»Hat er am Wochenende mal das Haus verlassen? Nachts vielleicht, als du geschlafen hast?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Wir haben immer bis zwei, drei Uhr Videos geschaut und gequatscht.«
Sie machte einen ahnungslosen Eindruck. Offenbar wusste sie noch nichts von dem toten Mädchen. Oder sie schauspielerte sehr gut. Raffiniert genug dazu war sie ja, sonst hätte sie die jungen Leute in der Villa nicht tagelang täuschen können. Wenn sie die einzige Zeugin für Steinhauers Unschuld war, dann sah es schlecht für ihn aus. Der Staatsanwalt würde das Mädchen vor Gericht als geschickte und notorische Lügnerin darstellen und das vielleicht nicht einmal zu Unrecht.
»Rana, sagt dir der Spitzname Baby etwas? Hat Leopold Steinhauer mal von jemandem mit diesem Namen erzählt?«
Petra hatte die halbe Nacht damit zugebracht, Sonjas Tagebuch zu lesen, und war zu demselben Schluss gekommen wie Antonia: Dieser Baby hätte durchaus Gründe für den Mord an Sonja gehabt. Eifersucht und Hass auf Steinhauer. Nur wer war Baby? Sie wusste aus eigener Erfahrung, dass Spitznamen oft seltsame Ursprünge hatten, die ein Außenstehender unmöglich nachvollziehen konnte. Der Zeichnung nach, die Sonja von Baby angefertigt hatte, konnte es ein Mann mit einem runden, etwas dicklichen Gesicht sein. Aber vielleicht hatte sie auch übertrieben, um ihn als »Arschgesicht« darzustellen.
Rana schüttelte den Kopf. »Er hat immer nur von dem
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