Roeslein tot
Leben fristeten, wurden dann im Laufe des Jahres in der Küche massakriert. Jedes Mal, wenn er im Kofel-Eck zu tun hatte, fluchte der Sepp. Der Boden ist nur wenig fruchtbar, er besteht praktisch bloß aus Eiszeit-Geröll. Außerdem ist es ein steiler Nordwest-Hang, der kaum Sonne bekommt. Das Gemüse wächst dort miserabel. Besonders die Tomaten beschweren sich den ganzen Sommer über und zeigen eine beleidigte Blässe. Die gelben Rüben holen sich Dellen, wenn sie unter der Erde gegen die Steine knuffen.
Jedes Jahr spielt sich das gleiche Szenario ab. Kaum dass der Sepp im Kofel-Eck den Spaten angesetzt hat, ist auch schon der Berglmaier im Anmarsch, als ob er hinter dem Traktor gelauert hätte. Er schnauft den Kofel hinauf wie ein brünstiger Zuchtbulle, steigt mitten ins Gelbe-Rüben-Beet, dass die Rüben laut aufheulen, und brüllt: »Wos mochst auf meim Acker, du hinterfotziger Hund, du?«
»Schleich di aus meim Beet, Kreizkruzitürkenhimmiherrgottsackzementnoamoi!«, antwortet dann der Sepp. Der Berglmaier ballt die Faust drohend um den Mistgabelstiel, und der Sepp holt die Hippe aus seiner Arschtasche.
»Schladerer! Dohergelaufne Eesterreicher worn deine Vorfoahrn, die hom hier gor koan Grund bsessen, überhaupts koan«, siebt der Berglmaier zwischen seinen Zähnen durch.
Der Sepp richtet sich auf und drückt stolz die Brust raus: »Jawoi, meine Vorfoahrn hom aus Eesterreich de Gartenkultur do herbrocht, und zwoar vor dera Gegenreformation, do wo deine Vorfoahrn noch mit eanara Fingernägeln die Erdn aufkratzt hom.«
Die beiden hätten übereinander herfallen können, doch sie wussten, dass jeder von ihnen dem anderen genauso schaden würde wie dieser ihm. Einmal hat der Berglmaier einfach mit seinem Traktor das Gemüse vom Sepp untergepflügt. Die Tomaten, die Kohlrabis, die Salatköpfe und die gelben Rüben hatten nicht mal Zeit für einen letzten Seufzer. Der Berglmaier wäre dabei fast mitsamt seinem Traktor umgekippt, doch das nahm er in Kauf. Daraufhin hat der Sepp genau an der Grenze entlang, da, wo es zum Acker vom Berglmaier den Hang hinuntergeht, Unkrautvertilger ausgegossen. Den hat der Regen so verteilt, dass auf der Seite vom Berglmaier in einem meterbreiten Streifen zwei Jahre lang nichts gewachsen ist. Seither beschränkten sich ihre Auseinandersetzungen auf die verbale Ebene. Aber nachgegeben hätte keiner von ihnen. Niemals.
Die kümmerlichen gelben Rüben hörten bei den gegenseitigen Beschimpfungen schon gar nicht mehr hin, sie waren zu sehr damit beschäftigt, über ihr trauriges Schicksal nachzusinnen. Neulich haben sie dann aber doch aufgepasst, denn das Gespräch hat eine unerwartete Wendung genommen. Wie gewohnt hatte sich der Berglmaier den Hügel hinaufgewälzt und sich vor dem Sepp aufgestellt, der gerade versuchte, die steinige Erde mit einer Hacke zu lockern.
»Du scho wiader«, legte er los. »Du host hier goar nix verlorn. Moch, dess d’weiderkimmst, sonst verklog i di wega unerlaubtem Betretn eines Privatgrundstücks, zum Deifi no amoi!«
»Deine fodnscheinign Osprüch kost da boid obschminka, du aufgeblosner Haderlump«, schlug der Sepp zurück. »Des is mei Land! Und du werst es demnächst zuagebn miassn, ob’s dir passt oder ned.«
Die dünnen Fiederblättchen der gelben Rüben schreckten aus ihrer düsteren Lethargie. »Wie? Soll der Streit etwa bald entschieden werden? Das wäre ja unglaublich!« Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer über alle Gemüsebeete von Reindlfing und schließlich auch zu mir. Ich war ganz baff. Wie wollte der Sepp das bloß anstellen?
Der Berglmaier warf sich in die Brust. »Do locha jo de Henna! Wos wuist dir denn aus de Fingern saugn? Hier is seit Urzeitn Berglmaier-Land und basta.«
Der Sepp grinste bloß hämisch. »Werst scho seng.«
Es sah bedrohlich danach aus, als ob der Berglmaier gleich platzen würde. Mit etwas Phantasie konnte man förmlich den Dampf unter seinem Tirolerhut hervorzischen hören. Die Lautstärke der Auseinandersetzung hatte sich von Satz zu Satz dermaßen gesteigert, dass die Tomaten beobachten konnten, wie die Friseurin von Reindlfing, die in einiger Entfernung am Rain entlanglief, erschrocken stehen blieb und zu den beiden hinaufblickte.
» Wos werd i seng? Goar nix werd i seng! Pass du bloß auf, dess du nix osteist, wos du nocha bereien müsstst«, donnerte der Berglmaier.
Der Sepp drehte ihm wortlos den Rücken zu und hackte weiter, ein selbstzufriedenes Lächeln auf den Lippen. Der
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