Roland Hassel - 07 - Wiedergänger
du sie in deiner neuen Wohnung entdeckt hättest! Aber vielleicht ist es so besser. Eine Fügung des Schicksals, sozusagen. So sparen wir Zeit. Bald bist du reif!«
Er verbeugte sich ironisch und verließ das Zimmer durch eine schwere Metalltür. Wenige Sekunden später spürte ich, wie die Salzlösung zu wirken begann. Mir war, als schlängelten sich dicke Würmer durch meine Adern, Würmer, die alle Flüssigkeit aufsaugten und absolute Trockenheit hinterließen. Schon nach kurzer Zeit begann ich, mich nach dem Wasser in der Karaffe zu sehnen. Sie stand im Schein des Spotlights und glänzte verführerisch.
Ich döste vor mich hin und verlor langsam das Zeitgefühl. Erst als der blonde junge Mann mehr von der trüben Flüssigkeit nachschenkte, erwachte ich wieder. Er gab mir ein paar Ohrfeigen, um mich bei Besinnung zu halten. Dann war ich wieder allein. Die Salzwürmer bohrten sich auf der Jagd nach Wasser bis in die entlegensten Winkel meines Körpers. Mein Mund war trocken wie Sandpapier. Ich spürte, wie meine Haut schrumpfte. Mit jedem qualvollen Atemzug wurde ich zehn Jahre älter. Da stand sie. Die Karaffe. Ich wand mich in meinen Fesseln, aber es nutzte nichts.
Wieder verlor ich das Bewußtsein. Ich erwachte mit dem Gefühl, innerlich und äußerlich endgültig verschrumpelt zu sein. Kein Blut mehr, kein Schweiß und keine Tränen – alles ausgetrocknet.
Wasser! Wasser! Die Karaffe ansetzen und trinken! Da stand sie und wartete auf mich. Frisches, kaltes Wasser. Und ich konnte es nicht bekommen, weil ich ihnen ja nichts zu geben hatte. Ich würde einfach verdursten. Ich war eine Wüste ohne Oase.
Wieder versuchte ich, mich freizumachen, aber es nutzte nichts.
Die Salzwürmer waren überall. Noch einmal wurde der Trichter aufgefüllt, und ich verlor jedes Zeitgefühl.
Meine Wangen rissen, meine Lippen sprangen auf, die Zähne fielen mir aus dem Mund. So fühlte ich mich. Trocken … ausgetrocknet …
Die Salzwürmer krochen jetzt sogar bis in meine Haarwurzeln, sie fraßen sich von innen in meine Augäpfel und Ohren. Ich konnte nichts mehr hören, alles war trocken, trocken!
Wasser! Ich keuchte, und die Zunge lag wie ein dickes Stück Filz in meinem halboffenen Mund, und ich sehnte mich nach Wasser, nur noch nach Wasser, dieser kostbaren, unvergleichlichen Flüssigkeit! Der blonde junge Mann kam herein und stellte sich neben das Bett.
»Gibst du auf?«
Ich brachte irgendeinen Laut heraus, und er beugte sich über mich.
»Was sagst du? Gibst du auf?«
›Go to hell‹ hieß auf Schwedisch ›fahr zur Hölle‹. Jemand mußte diese Worte gesagt haben. Wahrscheinlich ich. Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, sondern begann sein eigenes Spiel. Erst hielt er die Flasche mit der Salzlösung hoch, dann blies er in den Schlauch, und schließlich goß er sich aus der Karaffe einen Trinkbecher Wasser ein und trank ihn in genießerischen kleinen Schlucken.
»Mm, frisch und kalt. Es wird dir schmecken.«
Er verließ das Zimmer, und ich schloß die Augen. Sie waren völlig trocken und würden bald aus ihren Höhlen rollen. Er hatte Wasser im Mund gehabt, und es war ihm durch den Hals geflossen und hatte seinen Durst gelöscht. Ich war hilflos, und ich würde vertrocknen, bis nur noch Knochen von mir übrig waren. Für mich zählte nichts mehr auf der Welt als das Wasser in der Karaffe. Mein Gehirn schrumpfte zu einem kleinen Apfel, in dem keine Gedanken mehr Platz hatten. Nur ein einziger noch: Wasser!
Wasser war alles, war das Universum, war Gott.
Die Haut schrumpfte zwischen meine Rippen, die vertrockneten Körperteile konnten nur noch ein paar Gramm wiegen. Nur Wasser konnte mir noch helfen, lebenspendendes Wasser!
Wie lange sollte ich das noch aushalten? Nicht mehr lange. An das Wasser, das wunderbare Wasser, kam ich nicht heran, und also würde es bald aus sein mit mir. Vielleicht war ich schon tot, und das heftig klopfende Herz hatte nur noch nicht mitbekommen, daß die Lungen schon lange vertrocknet waren?
Meine Bewegungen wurden immer schwächer, und die Knochen rasselten. Ich wollte die Augen schließen, aber die Lider ließen sich nicht mehr über die vertrocknete Regenbogenhaut bewegen. So mußte ich den Anblick der teuflischen Karaffe weiter ertragen.
Wieder erschien der junge Mann. Weiße, feuchte Zähne grinsten aus seinem Gesicht.
»Na, wie steht’s?«
Ich bekam keinen Ton heraus, und er beugte sich über mich und legte sein Ohr an meinen Mund.
»Aber ja! Du bekommst dein
Weitere Kostenlose Bücher